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26.03.2020

Der europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 26.03.2020 die Widerrufsinformationen in Verbraucherkreditverträgen für nicht europarechtskonform erklärt. Bisher sieht es so aus, als ob Millionen Verbraucherdarlehensverträge aus einem Zeitraum von Juni 2010 bis März 2016 mit einem Volumen in Billionen Euro Höhe davon betroffen sind. Insbesondere gilt dies für Autokreditverträge, Leasingverträge sowie Immobilien- und Hypothekendarlehensverträge.

DER EUGH-ENTSCHEIDUNG LIEGT FOLGENDER FALL ZUGRUNDE:

Ein Verbraucher hatte im Jahr 2012 bei der Kreissparkasse Saarlouis einen grundpfandrechtlich gesicherten Kredit über 100.000,00 € abgeschlossen mit einer Zinsbindung bis zum 30.11.2021. Der Kreditvertrag sah folgende Formulierung in den Widerrufsinformationen vor:

„Der Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angaben zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat. (…)”

Der Verbraucher erklärte im Januar 2016 den Widerruf des Darlehensvertrages. Nachdem die Bank diesem Widerruf nicht abgeholfen hat, reichte er beim Landgericht Saarbrücken Klage ein. Das Landgericht Saarbrücken beschäftigte sich mit der Frage, ob die Verweisung in der Widerrufsinformation auf § 492 Abs. 2 BGB mit der europäischen Richtlinie 2008/48 über Verbraucherkreditverträge übereinstimme. Aus dieser Richtlinie geht hervor, dass das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts sowie die Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts in „klarer, prägnanter Form“ angegeben werden müssen (vgl. EuGH Urteil vom 26.03.2020 – C-66/19).

Das Landgericht Saarbrücken hatte Zweifel daran, dass der in der Widerrufsinformation enthaltene Kaskadenverweis diese Voraussetzung erfüllt und der Verbraucher über die Widerrufsfrist korrekt informiert ist, sodass es das Verfahren aussetzte und dem EuGH vorlegte.

DER EUGH ENTSCHIED DIESE FRAGE WIE FOLGT:

Die europäische Richtlinie 2008/48 über Verbraucherkreditverträgen gelte grundsätzlich nicht für grundpfandrechtlich gesicherte Kreditverträge. Allerdings habe der deutsche Gesetzgeber sich dazu entschieden, die Regelungen der Richtlinie auch auf solche Verträge zu erstrecken. Folglich seien die dortigen Anforderungen auch einzuhalten.

Der EuGH stellte fest,

„dass die Richtlinie, die darauf abzielt, allen Verbraucher ein hohes Maß an Schutz zu gewährleisten, dahin auszulegen ist, dass Verbraucherkreditverträge in klarer und prägnanter Form die Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist angeben müssen. Anderenfalls wird die Wirksamkeit des Widerrufsrechts ernsthaft geschwächt.

Außerdem sei die Richtlinie dahin auszulegen, dass sie dem entgegensteht, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der Pflichtangaben, deren Erteilung an den Verbraucher für den Beginn der Widerrufsfrist maßgeblich ist, auf eine nationale Vorschrift verweist, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaates verweist.“ (vgl. Pressemitteilung Nummer 36/20 zum EuGH-Urteil vom 26.03.2020 – C-66/19)

Dem Verbraucher sei es aufgrund dieses Kaskadenverweises nicht möglich, den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtungen zu überprüfen und er könne nicht klar nachvollziehen, wann die Widerrufsfrist für ihn zu laufen beginne.

BEDEUTUNG FÜR DIE PRAXIS

Bei Verbraucherkreditverträgen besteht grundsätzlich ein 14-tägiges Widerrufsrecht. Dieses Widerrufsrecht verlängert sich nach der o.a. EuGH-Entscheidung für Verträge zwischen Juni 2010 und März 2016 auf unbestimmte Zeit, wenn die Widerrufsbelehrung/Widerrufsinformation fehlerhaft ist. Bei Kreditverträgen ab März 2016 verlängert sich die Widerrufsfrist bei Fehlern in der Widerrufsinformation auf 1 Jahr.

Folglich ist aufgrund des nicht ausreichenden Kaskadenverweises hinsichtlich der Pflichtangaben, deren Mitteilung gegenüber dem Verbraucher für den Beginn der Widerrufsfrist maßgeblich ist, die Widerrufbarkeit von Verbraucherdarlehensverträgen auch noch Jahre später möglich.

Dies bedeutet, dass Sie bei Kreditvertragsabschlüssen als Verbraucher nunmehr die Möglichkeit haben, Ihren Kreditvertrag zu widerrufen, wenn dieser Kaskadenverweis in der Widerrufsbelehrung/Widerrufsinformation enthalten ist. Diesbezüglich sollte jedoch genau geprüft werden, ob der von Ihnen abgeschlossene Kreditvertrag unter die vom EuGH benannten Kreditvertragstypen fällt. Des Weiteren sollte geprüft werden, ob der Vertrag in Bezug auf seine Widerrufsbelehrungen/Widerrufsinformationen neben dieser Kaskadenverweisung noch weitere Fehler enthält (was nicht selten vorkommt), die einen Widerruf ermöglichen.

Der Kreditnehmer muss sich allerdings darüber im Klaren sein, dass er das Darlehensverhältnis durch einen wirksamen Widerruf beendet und den gewährten Kredit innerhalb kurzer Zeit zurückführen muss. Insofern sollte ein Widerruf erst ausgesprochen werden, wenn eine alternative Finanzierung (zu besseren Konditionen) zur Verfügung steht oder die Rückzahlung in anderer Form gesichert ist. Alternativ dazu könnte man die finanzierende Bank auf die Möglichkeit eines Widerrufes hinweisen, um sodann im Verhandlungsweg bessere Konditionen zu erreichen. Dies bietet sich insbesondere bei großvolumigen Baukrediten an.

UNSERE EMPFEHLUNG

Im Ergebnis ist es aufgrund dieses EuGH-Urteils durchaus empfehlenswert, seine Darlehensverträge überprüfen zu lassen. Insbesondere wird es bei Ankündigung eines Widerrufs aufgrund des EuGH-Urteils auf Verhandlungen mit den Banken hinauslaufen, da der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil aus März 2016 entschieden hat, dass der hier beanstandete Verweis in der Widerrufsinformation rechtmäßig sei. Auf diese Entscheidung werden sich die Banken bei Widerruf der Verbraucherdarlehensverträge berufen. Demnach erscheint es durchaus sinnvoll, die Kreditverträge, insbesondere die Widerrufsbelehrung/ Widerrufsinformation auch auf weitere Fehler zu überprüfen, um die Verhandlungsposition gegenüber den Banken zu stärken.

Bei Interesse übernehmen wir als Kanzlei nach einer kurzen Ersteinschätzung gerne die Überprüfung Ihrer Verbraucherkreditverträge und unterstützen Sie dann bei der Formulierung eines Widerrufs sowie bei den sich anschließenden Verhandlungen mit Ihrer Bank bzw. Ihren Banken.

Autorin: Chantal Hasselbach, RAin
chantal.hasselbach@dieckert.de