den Preisermittlungsvorgaben der HOAI freie – Honorarvereinbarung treffen. Wie eine solche Individualvereinbarung künftig auszusehen hat, regelt § 7 Abs. 1 HOAI-RegE, wonach künftig lediglich noch eine „Vereinbarung in Textform“ erforderlich
ist. Damit würde nicht nur das bislang strengere Schriftformerfordernis obsolet, sondern auch die in der Rechtspraxis regelmäßig zu Problemen – und zur Geltung des Mindestsatzes – führende Erforderlichkeit einer Honorarvereinbarung „bei Auftragserteilung“. Dem Wortlaut der beabsichtigten Neuregelung, aber auch der dazu gegebenen Begründung des Regierungsentwurfs zufolge, soll folglich eine Honorarvereinbarung künftig auch noch nach Auftragserteilung wirksam geschlossen
werden können. Diese ganz erhebliche Vereinfachung der formalen Anforderungen an eine wirksame Honorarvereinbarung dürfte damit den Anwendungsbereich der Preisregelungen der HOAI tatsächlich nur noch auf den Fall reduzieren,
in dem die Parteien aus welchen Gründen auch immer weder vor noch nach Auftragserteilung über das Honorar nicht einmal in Textform Einigkeit erzielen. Die Textform wird in § 126b BGB dahingehend definiert, dass die Erklärungen der Vertragsparteien lediglich in einer lesbaren und auf einem dauerhaften Datenträger vorliegen müssen und die Person des jeweils Erklärenden erkennen lassen. Von daher sind auch Einigungen etwa per wechselseitiger Emails möglich, ohne dass es einer Unterschrift oder elektronischen Signatur bedürfte.
Die neuen Regelungen der HOAI würden daher richtigerweise tatsächlich nur noch in jenen (wohl seltenen) Fällen eingreifen, in denen es selbst an einer auch nur in Textform niedergelegten Honorarvereinbarung fehlt. Dann – und nur dann –
greift nämlich die Auffangregelung nach § 7 Abs. 1 S. 2 HOAI-RegE ein, wonach (widerleglich) vermutet wird, dass das Honorar zum sogenannten „Basishonorarsatz“ entsprechend der übrigen Preisvorgaben vereinbart wurde. Dennoch könnte
selbst eine solche Vermutung noch nachträglich durch mindestens in Textform abgefasste Honorarvereinbarung überlagert werden.
Vor diesem Hintergrund müssen auch die schon bekannten übrigen Regelungen der HOAI 2013, in denen schriftliche Vereinbarungen über eine nachträgliche Honoraranpassung erforderlich war, nur noch als Auffangregelungen begriffen werden. Die
bislang in § 7 Abs. 6 HOAI 2013 vorgesehene Regelung über Bonus-/Malusregelungen wurde dementsprechend ersatzlos gestrichen, aber auch Leistungsänderungen oder Wiederholungsplanungen (§ 10 HOAI-RegE) werden künftig nur noch in
jenen Fällen Berücksichtigung finden, in denen es an einer grundlegenden Honorarvereinbarung in Textform fehlt, die den Anwendungsbereich dieser Normen betrifft. Ein Pauschalhonorar oder eine Stundensatzvereinbarung können je nach Auslegung des vertraglich vereinbarten Abgeltungsbereichs daher selbst dann Vorrang genießen, wenn es insoweit an einer ausdrücklichen Regelung zum Umgang mit Änderungs- oder Wiederholungsplanungen fehlt.
Die Änderungsverordnung zur HOAI soll zum 01.01.2021 in Kraft treten. Die Neuregelungen werden für ab dem Inkrafttreten erstmals geschlossene Vertragsverhältnisse anzuwenden sein. Wenngleich das Normsetzungsverfahren noch
nicht abgeschlossen ist (das ArchLG bedarf noch der Verabschiedung und der Bundesrat muss der Änderungsverordnung zur HOAI noch zustimmen) und weitere Veränderungen oder Verzögerungen möglich sind, darf dennoch angenommen werden, dass die zuvor dargestellte grundlegende Änderung – weg vom zwingenden Preisrecht und hin zu frei verhandelbaren Honoraren – jedenfalls zeitnah in Kraft treten wird.
Inwieweit die Neuregelungen auch nennenswerte Veränderungen in der Vertragspraxis mit sich bringen, bleibt abzuwarten. Sicherlich wird auch künftig vielfach an der Verwendung von Vertragsmustern festgehalten werden, die Honorare anhand der
Honorartafeln bzw. der Regelungen der HOAI vorsehen, wie dies schon aktuell der Fall ist. Spannend wird lediglich sein, inwieweit die Vertragsparteien nun tatsächlich von der Möglichkeit Gebrauch machen, die Preise auszuhandeln.
Architekten und Ingenieure werden sich darauf einstellen müssen, die von ihnen verlangten Honorare nachträglich nicht mehr über den juristischen „Winkelzug“ der sog. Mindestsatzunterschreitung erhöhen zu können. Der Vergangenheit werden
daher definitiv jene Streitigkeiten angehören, in denen schriftlich vereinbarte Honorarsätze oder Honorarzonen nachträglich mit der Begründung für nichtig erklärt werden, dass hierdurch der (tatsächlich höhere) Mindestsatz unterschritten wurde
und dieser statt der schriftlichen Vereinbarung gilt. Diese in der Praxis gar nicht so seltene „Auftragsakquise“ über nur vermeintlich günstige Honorare von Architekten und Ingenieuren wird künftig nur noch in den erwartungsgemäß seltenen Fällen
möglich sein, wenn nicht einmal die Textform gewahrt sein sollte, also etwa bei rein mündlichen Aufträgen. Regelmäßig wird aber künftig ein echter Preiswettbewerb möglich sein, soviel dürfte jetzt schon feststehen.
Christian Zeiske
Rechtsanwalt