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Dauerbrenner: Wirksame Zustellung von Willenserklärungen

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25.10.2024

Wir haben uns in den vorangegangenen Newslettern immer wieder mit der Frage der wirksamen Zustimmung von Willenserklärung auseinandergesetzt. Zuletzt ging es dabei um die Beweislast bei der Übermittlung von E-Mails. Aber auch beim klassischen Schriftverkehr gibt es immer wieder Streit, ob die abgesendeten Briefe auch rechtzeitig beim Empfänger angekommen sind.

Das Bundesarbeitsgericht hat nun in einem Urteil vom 20.06.2024 festgestellt, dass ein Beweis des ersten Anscheins dafür besteht, dass Bedienstete der Deutschen Post AG Briefe zu den postüblichen Zeiten zustellen. Gegenstand der Entscheidung war eine Klage eines Arbeitnehmers, der behauptete, das als Einwurf-Einschreiben verschickte Kündigungsschreiben seines Arbeitgebers sei viel zu spät in seinen Hausbriefkasten gelegt worden, sodass er vom Inhalt des Schreibens erst am nächsten Tag hätte Kenntnis nehmen konnte, was Auswirkungen auf die Kündigungsfristen habe. Diese Behauptung ließ in letzter Instanz das Bundesarbeitsgericht nicht gelten. Ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht, ist nach den gewöhnlichen Verhältnissen und den Gepflogenheiten des Verkehrs zu beurteilen und nicht nach den individuellen Verhältnissen des Empfängers. Wenn für den Empfänger unter solchen „gewöhnlichen Verhältnissen“ die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht, seien individuelle Hindernisgründe unerheblich. Nach Auffassung des BAG besteht ein Beweis des ersten Anscheins, dass Bedienstete der Deutschen Post AG Briefe zu den postüblichen Zeiten zustellen, sodass davon auszugehen sei, dass der Empfänger die Schreiben noch am selben Tag zur Kenntnis nehmen kann. Der klagende Arbeitnehmer habe es mit seinem Vortrag nicht vermocht, diesen Beweis des ersten Anscheins zu erschüttern.

Auf einen solchen „Anscheinsbeweis“ sollten es die Absender wichtiger Willenserklärungen aber nicht ankommen lassen. Besser ist es, wenn man in einem Streit über den Eingang eines Einwurf-Einschreibens den Einlieferungsbeleg des Zustellers vorlegen kann. Denn wie das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg in einem Urteil vom 12.12.2023 entschieden hat, reicht die Vorlage eines Einlieferungsbeleges der Post und der Sendungsstatus der Post nicht aus, um den rechtzeitigen Zugang des Schriftstückes beweiskräftig zu belegen. Nur der Auslieferungsbeleg, auf dem Zeit und Ort des Einwurfs sowie das Namenszeichen des Zustellers festgehalten sind, ist ein tauglicher Beleg. Ist auf diese Weise der Zugang beweiskräftig nachgewiesen, kann ein einfaches Bestreiten des Inhaltes des zugestellten Schriftstückes nicht ausreichend sein. Will man als Absender eines Schreibens aber auch den Inhalt des zuzustellenden Schreibens rechtskräftig dokumentieren, wäre die Beauftragung eines Boten oder eines Gerichtsvollziehers, welchen man auch den Inhalt des Schreibens zur Kenntnis gibt, eine rechtssichere Alternative.

Dr. Ulrich Dieckert
Rechtsanwalt