Rechts-News

Der Berliner Mietendeckel – verfassungswidrig?

Download als pdf
18.06.2019

Am 18.06.2019 hat der Senat den sogenannten „Mietendeckel“ in Berlin beschlossen. Danach dürfen die Mieten von mehr als 1,5 Millionen Wohnungen in Berlin fünf Jahre lang nicht erhöht werden. Ausgenommen sind neu gebaute Wohnungen sowie Sozialwohnungen. Zudem sollen Mieten, die eine noch nicht näher definierte „Höchstmiete“ überschreiten, abgesenkt werden. Bei Verstößen drohen den Vermietern Bußgelder von bis zu € 500.000,00.

Entstehungsgeschichte

Das Thema „Mietendeckel“ angestoßen hat der Berliner Jurist Peter Weber, der Ende 2018 in der Juristenzeitung einen Artikel mit dem Titel „Mittel und Wege landeseigenen Mietpreisrecht in angespannten Wohnungsmärkten“ veröffentlichte. In diesem weist der Autor darauf hin, dass der Senat per Verordnung Mietobergrenzen einführen könne. Diese könnten auf Basis des Preisgesetzes erlassen werden, das Landesregierungen die Möglichkeit einräumt, „Preise, Mieten, Pachten, Gebühren und sonstige Entgelte für Güter und Leistungen jeder Art“ festzusetzen oder zu genehmigen. Zudem könne das Abgeordnetenhaus ein Gesetz zu Mietobergrenzen beschließen. Im Rahmen der Grundgesetzänderung von 2006 habe der Bund die Zuständigkeit für das Wohnungswesen an die Länder übertragen. Das Wohnungswesen umfasse „öffentlich-rechtliche Maßnahmen zur Wohnraumbeschaffung und zur Wohnraumnutzung“. Die Länder sind demnach befugt für „Regelung über die Bewirtschaftung des Wohnraums, die soziale Wohnraumförderung, den Abbau von Fehlsubventionierung im Wohnungswesen, das Wohnungsbindungsrecht, das Zweckentfremdungsverbot und das Wohnungsgenossenschaftsrecht“. Der Autor stellt hierzu fest: „Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Eigentums umfasst kein Renditeschutz“. Daraufhin hat die SPD-Fraktion im März 2019 die Professoren Franz Meyer und Markus Arzt beauftragt, die im Aufsatz aufgezeigten Möglichkeiten auf ihre Verfassungsmäßigkeit und Umsetzbarkeit zu prüfen. Diese kommen in einem 63-seitigen Rechtsgutachten zur Schlussfolgerung, dass das Land Berlin die Kompetenz zum Erlass des Mietendeckels besitzt, da in der Berliner Verfassung (im Gegensatz zum Grundgesetz) ein Recht auf Wohnen festgeschrieben ist und die im BGB geregelte Verordnungsermächtigung besteht, wonach Landesregierungen bei Wohnungsnot Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt bestimmen können. Der Landesgesetzgeber dürfe in einen überhitzten Markt eingreifen.

Verfassungsmäßigkeit

Der Senat selbst verweist darauf, dass juristisches Neuland betreten werde. So stellte die maßgeblich beteiligte Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) fest: „Von Beginn an gibt es beim Mietdeckel widerstreitende juristische Auffassungen.“ Mittlerweile sind diverse Gutachten zu dieser Frage erstellt worden – das Ergebnis variiert, je nachdem, welches politische Spektrum das jeweilige Gutachten in Auftrag gegeben hat.

Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin?

So ist umstritten, ob das Land Berlin überhaupt die Gesetzgebungskompetenz hat, den Mietendeckel zu erlassen. Die bereits genannten Gutachter bejahen eine Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags kommt in seiner jüngsten Untersuchung zum Ergebnis, dass die Länder keine Möglichkeit haben, das Mietpreisrecht im Bereich des Zivilrechts zu ändern, weil dies in die Kompetenz des Bundes falle. Die Länder hätten nach der Föderalismusreform von 2006 zwar die Befugnis, Mieterhöhungen per öffentlich rechtlicher Regelung hoheitlich zu verbieten. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn der Bund nicht bereits eine „erschöpfende und abschließende Regelung“ getroffen habe. Hierfür sprächen jedoch „überwiegende Gründe“.

Nach einem vom CSU-Abgeordneten Hans Michelbach in Auftrag gegebenen Gutachten verstößt der Mietendeckel gegen Verfassungsrecht. Danach entfalte die Bundesgesetzgebung im Bereich des Zivilrechts eine Sperrwirkung für die Landesgesetzgebung. Zudem dürfe das Eigentumsgrundrecht zwar eingeschränkt, aber nie in seiner Substanz verletzt werden. Zumindest die allgemeine Preissteigerung müsse durch Mieterhöhungen ausgeglichen werden können. Die Großkanzleien Hogan Lovells und Heußen kommen beide zum Schluss, dass der Mietendeckel verfassungswidrig sei.

Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes

Der Mietendeckel ist nach überwiegender Auffassung mit der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes gemäß Art. 14 Grundgesetz vereinbar. Die Mietpreisbindungen dienen dem Ziel, eine Überhöhung des Mietpreises zu verhindern und dadurch für alle Bevölkerungsschichten bezahlbaren Wohnraum zu erhalten.

Rückwirkung des Mietendeckels

Der Gesetzesentwurf soll bis Oktober 2019 vorliegen. Besonders umstritten ist die Frage, ob die Rückwirkung des Mietendeckels verfassungsgemäß ist. So soll die Norm rückwirkend in Kraft treten – also auch Sachverhalte betreffen, die zeitlich vor dem voraussichtlichen Erlass des Gesetzes im Januar 2019 liegen. Eine echte Rückwirkung, also ein nachträglich ändernder Eingriff in abgeschlossene Sachverhalte, ist jedoch nur in Ausnahmefällen zulässig. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn zwingende Gründe des Gemeinwohls die Rückwirkung erfordern. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch klargestellt, dass es sich hierbei um einen absoluten Ausnahmefall handelt und entsprechend „überragende Belange des Allgemeinwohls“ erforderlich seien.

Abzuwarten ist, ob das entscheidende Gericht der Auffassung sein wird, dass der Berliner Senat nicht noch ein halbes Jahr bis zur tatsächlichen Verabschiedung des Gesetzes hätte zuwarten können. All diese Fragen werden in den nächsten Monaten und gegebenenfalls Jahren beantwortet werden – es bleibt also spannend.