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Die 80 %-Regelung gilt auch für VOB/B-Verträge

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02.11.2021

1. Auch im VOB-Vertrag kann der Auftragnehmer bei der Berechnung von geschuldeten Abschlagszahlungen 80 % der Nachtragsvergütung ansetzen und im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend machen. Das gilt selbst dann, wenn die VOB/B “als Ganzes” vereinbart ist.
2. Abschlagszahlungen können im Rahmen eines VOB-Vertrags nur verlangt werden, wenn eine der Abschlagszahlung entsprechende vertragsgemäße Bauleistung erbracht worden und die Abschlagsrechnung prüfbar ist.
3. Der Auftraggeber kann im einstweiligen Verfügungsverfahren (seinerseits) feststellen lassen, dass der Auftragnehmer vorläufig nicht berechtigt ist, Abschlagszahlungen i.H.v. 80 % des Betrags aus einem Nachtragsangebot geltend zu machen.
4. Der Auftragnehmer muss in einem einstweiligen Verfügungsverfahren seinen Anspruch auf geänderte oder zusätzliche Vergütung darlegen und glaubhaft machen, wozu bei einem Anspruch auf zusätzliche Vergütung aus § 2 Abs. 6 VOB/B gehört, dass er dem Auftraggeber den Anspruch vor der Ausführung angekündigt hat.
(KG, Urteil vom 02.11.2021 – 27 U 120/21)

Ein Auftragnehmer führt Abbrucharbeiten für einen öffentlichen Auftraggeber aus. Im Zuge der Arbeiten werden nach Auffassung des AN zusätzliche Leistungen erbracht, für die der AN Nachtragsangebote unterbreitet. Teilweise handelt es sich hierbei allerdings um „Behinderungsnachträge“.

Der Auftragnehmer hatte die Einstellung der Arbeiten angedroht, wenn der Auftraggeber nicht 80 % der geforderten Nachtragsvergütung als Abschlagszahlung leistet. Das lehnte der Auftraggeber ab und beantragte seinerseits eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Berlin, mit der er klären wollte, dass er nicht verpflichtet sei, die geforderten Zahlungen zu leisten.

Die Entscheidung des Gerichts

Vor dem Kammergericht bekam der Auftraggeber teilweise Recht.

Für eine Nachtragsposition entschied das Gericht, dass diese Leistungen bereits von dem vertraglich vereinbarten Einheitspreis abgegolten war.

Für die geltend gemachten Mehrkosten aus Bauzeitverlängerung entschied das Gericht, dass selbst bei Anordnungen des Auftraggebers zur Bauzeit kein Fall des §§ 650c BGB vorliege, weil dieser nur Änderungen des vertraglich vereinbarten Leistungsumfanges regele.

Für eine weitere Nachtragsposition erklärte das Gericht, ein Anspruch würde daran scheitern, dass die zusätzliche Vergütung nicht vor der Ausführung angekündigt worden war. Eine solche Ankündigung ist nur dann entbehrlich, wenn die Mehrkosten für den Auftraggeber offensichtlich sind, sodass dieser eines Hinweises nicht bedarf.

Für andere Nachtragspositionen gab das Gericht dem Auftragnehmer Recht und entschied, dass dieser 80 % der geforderten Nachtragsvergütung als Abschlagszahlung verlangen kann, soweit die Leistungen ausgeführt und prüfbar abgerechnet waren.

Praxishinweis

Insbesondere öffentliche Auftraggeber hatten befürchtet, dass die „80-Prozent-Regelung“ in § 650c BGB dazu führen würde, dass Auftragnehmer massiv überhöhte Nachtragsforderungen durchsetzen könnten.

In der Praxis hat sich inzwischen erwiesen, dass die Fälle, in denen Auftragnehmer sich auf diese Regelung berufen, sehr selten sind. Zudem steht inzwischen fest, dass Auftraggeber sich durchaus gegen überhöhte Nachtragsforderungen verteidigen können, indem sie ihrerseits eine einstweilige Verfügung beantragen.

Insgesamt erweist sich die gesetzliche Neuregelung als gelungen. Die öffentlichen Auftraggeber sollten daher bei der Neufassung der VOB/B ihren Widerstand gegen die neuen gesetzlichen Vorschriften aufgeben.

Hendrik Bach
Rechtsanwalt