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30.01.2019

Bei unbegründetem Mängelverdacht kann eine Haftung des Bestellers für die Kosten der Fehlersuche auf § 684 BGB gestützt werden.

LG Frankfurt/Main, Urteil vom 30.01.2020 – 2-16 S 121/18

Bei allen Werkverträgen kann es vorkommen, dass der Auftraggeber Mangelsymptome rügt und der Auftragnehmer im Rahmen seiner Überprüfung feststellt, dass die Ursache der beschriebenen Symptome nicht in einem Mangel seiner eigenen Werkleistung liegt. Der Unternehmer würde gerne die Kosten der Überprüfung der unberechtigten Mängelrüge erstattet verlangen, allerdings ist dies nach der bisherigen Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen möglich.
Eine Kfz-Werkstatt hatte bei einem Fahrzeug die Kupplung ausgetauscht. Einige Zeit später traten Geräusche im Antriebsstrang auf. Der Kunde suchte die Werkstatt auf und rügte, dass die Kupplung wohl nicht richtig eingebaut sei. Daraufhin baute die Werkstatt das Getriebe aus, setzte probeweise eine andere Kupplung ein und baute das Getriebe wieder ein. Die Geräusche verschwanden nicht, so dass nunmehr feststand, dass die Kupplung in Ordnung war, aber ein Getriebedefekt vorlag. Die Kosten in Höhe von € 600,00 stellte die Werkstatt in Rechnung. Der Kunde wollte nicht bezahlen.

Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Frankfurt/Main urteilte, dass der Kunde die Kosten übernehmen müsse, weil er durch die Fehlersuche der Kfz-Werkstatt eigene Kosten erspart habe. Auch eine andere Werkstatt hätte zunächst einen Kupplungsdefekt als mögliche Ursache der Geräusche ausschließen müssen. Auch in diesem Fall hätte der Kunde also den Ausbau der Kupplung und den probeweisen Einbau einer anderen Kupplung bezahlen müssen. Diese Kosten habe er sich erspart, weil die nächste Werkstatt nun bereits wisse, dass ein Getriebefehler vorliege. Die Gesetzesnorm, die das Gericht für seine Entscheidung herangezogen hat, steht zwar seit dem Jahr 1900 im Bürgerlichen Gesetzbuch, wird aber sehr selten angewendet. § 684 BGB besagt, dass in den Fällen, wo eine sogenannte „Geschäftsführung ohne Auftrag“ nicht vorliegt, trotzdem ein Kostenerstattungsanspruch bestehen kann, wenn die Gegenseite einen Vorteil erlangt hat, auf den sie keinen Anspruch hatte.

Hinweis für die Praxis

Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und der übrigen Gerichte besagt, dass bei unberechtigten Mangelrügen grundsätzlich kein Anspruch auf Kostenerstattung besteht, außer der Auftraggeber hätte bereits zum Zeitpunkt der Mängelrüge erkennen können, dass die Mangelursache nicht im Verantwortungsbereich des Unternehmers liegt. Zu denken ist hier insbesondere an nachträgliche Beschädigungen durch Fehlbedienung, unterlassene Wartung und dgl. Eine weitere Ausnahme hat die Rechtsprechung gemacht, wenn der Unternehmer dem Besteller nach Erhalt der Mangelrüge mitteilt, dass man den Mangel überprüfen und im Falle, dass die Mangelrüge unberechtigt ist, die Kosten in Rechnung stellen werde. Wenn der Besteller dem nicht widersprach, wurde eine stillschweigende Vereinbarung „konstruiert“. Diese Methode funktioniert aber nicht, wenn der Besteller auf die entsprechende Kostenankündigung hin ausdrücklich widerspricht und erklärt, er werde keine Kosten übernehmen. War die Nichtberechtigung der Mangelrüge nicht erkennbar und hatte der Besteller widersprochen, gab es kein Geld. Dies könnte sich nun ändern, wenn sich andere Gerichte der Auffassung des Landgerichtes Frankfurt/Main anschließen würden.
Die Entscheidung ist auch deshalb interessant, weil es auch während der Durchführung des Auftrages häufig dazu kommt, dass ein Unternehmer Leistungen ausführt, für die er keinen Auftrag bzw. keine Anordnung bekommen hat. Wenn der Auftraggeber später erklärt, die Leistungserbringung habe nicht in seinem mutmaßlichen Interesse gelegen, dann bekam der Werkunternehmer jedenfalls über § 2 Abs. 8 VOB/B kein Geld. Auch in diesen Fällen sollte zukünftig geprüft werden, ob der Auftraggeber durch die auftragslos ausgeführte Leistung einen finanziellen Vorteil in Gestalt ersparter eigener Aufwendungen erhalten hat.

Hendrik Bach
Rechtsanwalt