Rechts-News

Download als pdf
30.01.2020

Das Berliner Abgeordnetenhaus hat dem Gesetz am 30. Januar nach zweiter Lesung zugestimmt. Wir erläutern nachfolgend die wichtigsten Regelungen und was auf Vermieter und Mieter nunmehr zukommt.

Trotz scharfer Kritik ist das „Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin“ (MietenWoG Bln) mit der Mehrheit der Koalitionsstimmen beschlossen worden. Es wird voraussichtlich noch im Februar im Gesetzes- und Verordnungsblatt verkündet werden und einen Tag später in Kraft treten. Es soll zunächst für fünf Jahre gelten. Verlängerungen sind aber denkbar.

KONTROVERSE DISKUSSION

Selten hat ein Gesetz bereits im Vorfeld der Verabschiedung für derart kontroverse Diskussionen geführt. Befürworter des Gesetzes sehen es als zwingend erforderliche Maßnahme an, um den angespannten Wohnungsmarkt in Berlin zu entlasten. Gegner der Regelungen halten das Gesetz für verfassungswidrig und sagen schwerwiegende nachteilige Auswirkungen nicht nur auf den Wohnungs- und Immobilienmarkt, sondern auch auf die Bauwirtschaft voraus. Eigentümer befürchten, Sanierungsmaßnahmen nicht mehr durch die Vereinnahmung ausreichender Mieten gegenfinanzieren zu können, sodass ein Sanierungs- und Instandsetzungsstau droht, der sich auch auf die Auftragslage von Bauunternehmen auswirken könnte.

Die Senatsverwaltung selbst bezeichnet das Gesetz als „Experiment“ und ist sich insbesondere der Verfassungsgemäßheit offensichtlich nicht sicher. Die Opposition hat bereits sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene angekündigt, gegen das Gesetz mit einer sog. abstrakten Normenkontrolle vorzugehen. Der Berliner „Mietendeckel“ wird also auf seine Verfassungsmäßigkeit hin überprüft werden. Nach ersten Verlautbarungen ist mit der Einreichung der Klage im zweiten Quartal 2020 zu rechnen. Wann entweder der Berliner Verfassungsgerichtshof oder das Bundesverfassungsgericht eine verbindliche Entscheidung treffen werden und mit welchem Inhalt, kann nicht zuverlässig vorhergesagt werden. Bis dahin ist das MietenWoG spätestens ab Ende Februar geltendes Recht und von allen Betroffenen zu berücksichtigen.

Ungeachtet nach der Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sowohl in formeller als auch materiell-rechtlicher Hinsicht wirft das Gesetz aber auch inhaltlich Fragen auf und führt zu teilweise erheblicher Rechtsunsicherheit bei dessen Anwendung.

Wir stellen nachfolgend im Überblick die wichtigsten Regelungen dar:

FÜR WELCHE WOHNUNGEN GILT DER MIETENDECKEL?

Das Gesetz gilt zunächst für jegliche Form von freifinanziertem Wohnraum. Auch befristete Mietverhältnisse und möblierte Wohnungen sind erfasst. Lediglich Neubauten, die ab 2014 erstmalig bezugsfertig waren, sind ausgenommen. Ungeklärt ist, ob und inwieweit umfassende Modernisierungen bzw. Kernsanierungen auch als Neubau gelten.

WAS REGELT DER MIETENDECKEL KONKRET?

Bestandsmieten, die am 18.6.2019 wirksam vereinbart waren, dürfen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes nicht mehr erhöht werden. Gleiches gilt für Mieten, die nach diesem Stichtag, aber noch vor dem Inkrafttreten im Rahmen einer Erst- oder Wiedervermietung vereinbart worden sind.

Zudem legt das Gesetz Mietobergrenzen fest, die allerdings erst neun Monate nach dessen Inkrafttreten, also voraussichtlich im November/Dezember 2020, gelten. Ab diesem Zeitpunkt ist es gesetzlich verboten, Mieten zu verlangen, die diese Obergrenzen um mehr als 120 % überschreiten. Anders als in einem früheren Gesetzesentwurf vorgesehen, ist nunmehr geregelt, dass Mieter eine Absenkung überhöhter Mieten selbst geltend machen, d. h. unter Umständen auch einklagen müssen. Die Senatsverwaltung soll nach der Begründung des Gesetzes keine Untersagungsverfügungen mehr an die Vermieter schicken. Dem Wortlaut nach aber sind sowohl die Senatsverwaltung als auch die Bezirksämter ermächtigt, alle erforderlichen Maßnahmen zur Durchsetzung des Gesetzes treffen zu können. Wie die Behörden mit dieser Ermächtigungsgrundlage umgehen, bleibt abzuwarten.

Gleichzeitig wurden die Bußgeldvorschriften verschärft. Vermieter, die eine überhöhte Miete verlangen oder auch nur entgegennehmen, begehen eine Ordnungswidrigkeit. Diese kann mit einem Bußgeld bis zu 500.000 € geahndet werden. Selbst wenn also Mieter freiwillig eine höhere Miete zahlen möchten, wäre dies nach dem Gesetz unzulässig und bußgeldbewehrt.

Unklar bleibt, wie mit laufenden Mieterhöhungsverfahren umzugehen ist. Sofern derartige Verfahren bereits Gerichts hängig sind, ist denkbar, dass das Gericht das Verfahren bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit aussetzt.

WAS MÜSSEN VERMIETER BEACHTEN?

Vermieter sind gehalten, bestimmte zwingend Informationspflichten zu erfüllen. Sie sind nicht nur verpflichtet, alle Anfragen der zuständigen Stellen zu beantworten und Unterlagen vorzulegen. Sie müssen Mieter vor jedem Neuabschluss eines Mietvertrages über die Grundlagen zur Berechnung der zulässigen Miete unaufgefordert informieren. Vor allem aber müssen sie auch in Bestandsmietverhältnissen den Mietern derartige Information unaufgefordert innerhalb von zwei Monaten nach dem Inkrafttreten des Gesetzes, also bis spätestens Ende April 2020 erteilen. Verstöße hiergegen sind wiederum bußgeldbewehrt.

Vermieter müssen vor allem das Inkrafttreten der Mietobergrenzen in neun Monaten berücksichtigen und ggf. Mieter über die dann geltende geringere Miete informieren. Es dürften auch entsprechende Lastschriftverfahren und Einzugsermächtigungen umgestellt werden müssen. Selbst von Mietern erteilte Daueraufträge müssen angepasst und zu viel vereinnahmten Mieten zurückgezahlt werden, da andernfalls ein erhebliches Bußgeld droht.

Fraglich ist, ob bei Abschluss neuer Mietverträge Regelungen mit aufgenommen werden können, wonach für den Fall des Auslaufens oder des Außerkrafttretens des Gesetzes automatisch wieder die ursprüngliche nach dem BGB geschuldete Miete gilt und etwaige aufgelaufene Rückstände vom Mieter nach zu zahlen sind. Auch Mietkautionen dürften von der Neuregelung betroffen sein. Zwar ist dem Wortlaut nach die Vereinnahmung einer überhöhten Kaution nicht strafbewehrt. Allerdings dürften Mieter einen Rückzahlungsanspruch haben, sofern die Kaution auf der Basis zu hoher Mieten berechnet worden ist.

Thorsten Krull
Rechtsanwalt