Auch in Abschnitt 1 VOB/A-2019 wird jetzt vom Grundsatz „kein Mehr an Eignung“ eine ausdrückliche Ausnahme gemacht. Danach darf nunmehr auf die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung betrauten Personals abgestellt werden (d. h. auf Kriterien der beruflichen Eignung des Bieters), wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann.
Die Zuschlagskriterien müssen so festgelegt und bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet wird, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden kann und eine wirksame Überprüfung möglich ist, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen. Es können auch Festpreise oder Festkosten vorgegeben werden, sodass der Wettbewerb nur über die Qualität stattfindet. Bei der Zuschlagsentscheidung muss in einem solchen Fall der Preis nicht mehr berücksichtigt werden, auch nicht mit einem bestimmten Mindestgewicht.
Grundsätzlich stellen die Neuregelungen im 1. Abschnitt der VOB/A einen Schritt in die richtige Richtung dar. Insbesondere ist zu begrüßen, dass es in Bezug auf die Nachforderung von Unterlagen endlich zu einer Klarstellung gekommen ist. In Anbetracht der Tatsache, dass eine ähnliche Regelung für die Beschaffung von Lieferungen und Leistungen bereits seit 2016 in der VgV verankert ist, stellt sich allerdings die Frage, warum der DVA hierfür so lange gebraucht hat. Die Antwort liegt in der schwerfälligen und aus hiesiger Sicht überkommenen Arbeitsweise des DVA, der aufgrund seiner paritätischen Besetzung (50 % Vertreter der öffentlichen Auftraggeber, 50 % Vertreter der Bauwirtschaft) bei der Fortentwicklung der Vergaberegeln auf Konsens angewiesen ist. Insofern ist nach wie vor zu bedauern, dass es bei der Vergaberechtsreform 2016 nicht gelungen ist, auch die Regelungen zur Vergabe von Bauleistungen in die Vergabeverordnung (VgV) zu integrieren.
Zu der seit langem angestrebten Vereinfachung des Vergaberechts trägt die Reform 2019 jedenfalls nicht bei. Immer noch gibt es unerklärliche Unterschiede in den Vergaberegelungen, sobald die EU-Schwellenwerte überschritten werden. So ist bei Vergaben nach dem 1. Abschnitt der VOB/A die Abgabe von Nebenangeboten immer möglich, soweit Auftraggeber dies nicht in den Vergabeunterlagen ausdrücklich verneint (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 3 VOB/A). Bei Vergaben nach dem 2. Abschnitt der VOB/A ist die Abgabe von Nebenangeboten hingegen verboten, solange diese nicht ausdrücklich vom Auftraggeber zugelassen werden (vgl. § 8 EU Abs. 2 Nr. 3 VOB/A).
Aus hiesiger Sicht ist es an der Zeit, sich von der VOB/A zu verabschieden und deren Vergaberegeln in die VgV zu integrieren. In diesem Zusammenhang wäre dann auch eine Abschaffung der VOB/B zu erwägen, deren Bestimmungen in wesentlichen Bereichen (z. B. Nachtragsvorschriften) vom neuen gesetzlichen Bauvertragsrecht abweichen. Es ist jedenfalls nach den Ankündigungen des DVA nicht zu erwarten, dass mit der angekündigten Gesamtausgabe der VOB 2019 nennenswerte Anpassungen an die §§ 650a ff. BGB erfolgen.