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Neue VOB/A 2019 verabschiedet

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27.02.2019

Nachdem der deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA) bereits Ende letzten Jahres eine Überarbeitung der VOB/A angekündigt hatte, sind die von DVA beschlossenen Neuregelungen nunmehr am 19.02.2019 als VOB/A-2019 im Bundesanzeiger veröffentlicht worden (BAnz AT 19.02.2019 B2). Die Veröffentlichung umfasst alle drei Abschnitte der VOB/A, wobei die Abschnitte 2 und 3 vorwiegend redaktionell geändert wurden. Der Schwerpunkt der Änderungen liegt in Abschnitt 1 der VOB/A, der für Vergaben des Bundes bereits zum 1. März 2019 durch entsprechenden Erlass in Kraft treten soll. Die Anwendung der Vorschriften der Abschnitte 2 und 3 VOB/A muss durch eine Verweisung in der Vergabeverordnung (VgV) bzw. der Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV) verbindlich vorgeschrieben werden. Der Zeitpunkt hierfür steht noch nicht fest, die erforderlichen Änderungen der VgV und VSVgV sind jedoch in Vorbereitung. Der DVA hat schließlich angekündigt, im Verlauf des Jahres 2019 alle Teile der VOB als Gesamtausgabe unter der Bezeichnung VOB 2019 herauszugeben. Inwieweit es dabei auch zu Anpassungen an das neue Bauvertragsrecht des BGB kommt, bleibt abzuwarten.

Neufassung von Abschnitt 1 der VOB/A

Nach Bekunden des DVA dienen die beschlossenen Änderungen im 1. Abschnitt der VOB/A der Aktualisierung im Nachgang zur Vergaberechtsreform 2016 sowie zur Umsetzung der Beschlüsse des Wohngipfels vom 21. September 2018. Darüber hinaus enthält die Überarbeitung wichtige Klarstellungen, z. B. in Bezug auf die Nachforderung von Unterlagen. Derartige Klarstellungen sind auch in die Abschnitte 2 und 3 inhaltsgleich übertragen worden.

Die wesentlichen Änderungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Verhältnismäßigkeit und Vertraulichkeit

Mit der VOB/A 1019 werden die allgemeinen Vergabegrundsätze des § 2 VOB/A auch unterhalb der EU-Schwellenwerte durch die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Verhältnismäßigkeit und den Grundsatz der Vertraulichkeit erweitert. Wie bisher soll der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt werden, das sich nun nach dem besten Preis-Leistung-Verhältnis bestimmt. Dabei hat der Auftraggeber künftig den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, der bisher nur für Vergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte ausdrücklich vorgegeben war (§ 97 Abs. 1 Satz 2 GWB) Gemäß § 2 Abs. 4 VOB/A-2019 haben Auftraggeber, Bewerber, Bieter und Auftragnehmer nunmehr in jeder Phase der Vertragsbeziehung die Vertraulichkeit aller Informationen und Unterlagen nach Maßgabe der VOB/A-2019 und andere Vergabevorschriften zu wahren. In § 11 Abs. 7 VOB/A wurde hierzu eine weitere Konkretisierung aufgenommen. Enthalten die Vergabeunterlagen schutzwürdige Daten, kann der Auftraggeber Maßnahmen zum Schutz der Vertraulichkeit der Informationen bekannt machen und anwenden.

2. Gleichstellung der Öffentlichen Ausschreibung und der beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb

Nunmehr wird dem öffentlichen Auftraggeber auch bei Verfahren unterhalb der EU-Schwellenwerte eine Wahlfreiheit zwischen der Öffentlichen Ausschreibung und der Beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb eingeräumt (vgl. § 3a VOB/A 2019). Der Vorrang der öffentlichen Ausschreibung wird damit aufgegeben. Beschränkte Ausschreibungen mit Teilnahmewettbewerb, bei dem der Auftraggeber die Anzahl der Unternehmen, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden, auf bis zu fünf Bewerber beschränken kann, bedürfen keiner besonderen Rechtfertigung mehr. Die Auswahl der Bewerber im Teilnahmewettbewerb erfolgt anhand der vom Auftraggeber festgelegten transparenten, objektiven und nicht diskriminierenden Eignungskriterien. Diese hat er in der Auftragsbekanntmachung des Teilnahmewettbewerbs ebenso anzugeben, wie die Mindestzahl und gegebenenfalls Höchstzahl der einzuladenden Bewerber.

3. Direktauftrag

Bauleistungen bis zu einem voraussichtlichen Nettoauftragswert von 3.000 € können gemäß § 3a Abs. 4 VOB/A-2019 nunmehr unter Berücksichtigung der Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auch ohne die Durchführung eines Vergabeverfahrens beschafft werden (Direktauftrag). Die Einholung von Vergleichsangeboten ist bis zu diesem Betrag nicht mehr erforderlich. Die Wirtschaftlichkeit des Angebots muss auf andere Weise begründet und dokumentiert werden. Es ist eine Markterkundung durchzuführen. Der Auftraggeber soll in jedem Fall zwischen den beauftragten Unternehmen wechseln.

4. Selbstreinigung

Nunmehr wird Unternehmen auch für Verfahren unterhalb der EU-Schwellenwerte die Möglichkeit eingeräumt, sich bei erwiesener Unzuverlässigkeit durch geeignete Maßnahmen selbst zu „reinigen“. Zu diesem Zweck verweist § 6a Abs. 1 Satz 2 VOB/A-2019 auf die bereits in 2016 geregelte Selbstreinigung in § 6f EU Abs. 1 und 2 VOB/A. Die Vergabestellen haben nunmehr trotz vorliegender Unzuverlässigkeit zu prüfen, ob der Bieter hinreichende Anstrengungen unternommen hat, den durch sein bisheriges Fehlverhalten angerichteten Schaden auszugleichen und ob der Bieter bei der Aufklärung seines Fehlverhaltens mitgewirkt und/oder konkrete Maßnahmen ergriffen hat, dass ein solches Fehlverhalten in Zukunft vermieden wird. Sind solche Maßnahmen der Selbstreinigung gegeben, hat der öffentliche Auftraggeber diese im Hinblick auf ihre Bedeutung für den zu vergebenen Auftrag zu bewerten. Dabei berücksichtigt er die Schwere und die besonderen Umstände des Fehlverhaltens. Hält der Auftraggeber die Selbstreinigungsmaßnahmen des Bieters für unzureichend, so ist dies dem Bieter gegenüber zu begründen.

5. Erleichterung bei den Eignungsnachweisen

Für den Nachweis vergleichbarer Referenzen darf der Bewerber oder Bieter nunmehr gemäß § 6a Abs. 2 Nr. 2 VOB/A-2019 auf die Ausführung von Leistungen in den letzten bis zu fünf abgeschlossenen Kalenderjahren – und nicht wie bisher in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren – zurückgreifen. Um einen ausreichenden Wettbewerb sicherzustellen, kann der Auftraggeber sogar einschlägige Bauleistungen berücksichtigen, die mehr als fünf Jahre zurückliegen, wenn er darauf hinweist. Bis zu einem Nettoauftragswert von 10.000 € kann der Auftraggeber jetzt sogar auf Referenzen, Umsatzzahlen oder die Zahl der Beschäftigten in den vergangenen drei Kalenderjahren verzichten, wenn dies durch Art und Umfang des Auftrages gerechtfertigt ist (vgl. § 6a Abs. 5 VOB/A-2019). Schließlich kann der Auftraggeber gemäß § 6b Absatz VOB/A-2019 auf die Vorlage von Nachweisen verzichten, wenn die den Zuschlag erteilende Stelle bereits im Besitz dieser Nachweise ist. Bei Verfahren oberhalb der Schwellenwerte besteht diese Möglichkeit bereits seit der Vergaberechtsform 2016.

6. Zulassung mehrerer Angebote

Der Auftraggeber kann in den Vergabeunterlagen (oder in der Vergabebekanntmachung) nunmehr angeben, dass er die Abgabe mehrerer Hauptangebote nicht zulässt (§ 8 Abs. 2 Nr. 4 VOB/A-2019). Gibt ein Bieter trotzdem mehrere Hauptangebote ab, so sind diese gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 7 VOB/A-2019 zwingend auszuschließen. Werden mehrere Hauptangebote abgegeben, muss jedes im Übrigen aus sich heraus zuschlagsfähig sein (vgl. § 13 Abs. 3 Satz 3 VOB/A-2019). Jedes per Post oder direkt übermittelte Angebot ist für sich in einem verschlossenen Umschlag einzureichen, als solches zu kennzeichnen und bis zum Ablauf der für die Einreichung vorgesehenen Frist unter Verschluss zu halten.

7. Neufassung der Nachforderungsregeln.

Bereits seit längerem ist der Auftraggeber verpflichtet, vom Bieter Unterlagen oder Erklärungen nachzufordern, wenn diese bei Angebotsabgabe vergessen wurden. Streitig war jedoch bisher, ob dies nur reine Eignungs- bzw. Qualitätsnachweise umfasst oder ob der Bieter auch fehlende Fabrikatsangaben nachreichen kann. Nunmehr ist in § 16a Abs. 1 VOB/A-2019 klargestellt, dass der Bieter sowohl fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen (insbesondere Erklärungen, Angaben oder Nachweise) als auch fehlende oder unvollständige leistungsbezogene Unterlagen (insbesondere Erklärungen, Produkt- und sonstige Angaben oder Nachweise) nachreichen oder vervollständigen kann. Dies betrifft nur solche Unterlagen, die bereits mit dem Angebot vorzulegen waren. Zur Vermeidung von Unklarheiten hat der Auftraggeber deshalb gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 VOB/A-2019 an zentraler Stelle in den Vergabeunterlagen alle Unterlagen im Sinne von § 16a Abs. 1 VOB/A abschließend anzugeben und zwar mit Ausnahme von Produktangaben.

Der Auftraggeber kann allerdings nunmehr gemäß § 16a Abs. 3 VOB/A-2019 in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen festlegen, dass er keine Unterlagen oder Preisangaben nachfordern wird. Damit wurde die VOB/A den entsprechenden Regelungen in der VgV angepasst. Angebote, die die geforderten Unterlagen nicht enthalten, sind in einem solchen Fall zwingend gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A auszuschließen.

8. Nachforderung von Preisangaben

Grundsätzlich dürfen fehlende Preisangaben weiterhin nicht nachgefordert werden (vergleiche § 16a Abs. 2 VOB/A-2019). Entsprechende Angebote sind auszuschließen, es sei denn, es fehlt der Preis in unwesentlichen Positionen und sowohl durch die Außerachtlassung als auch bei Wertung dieser Positionen mit dem jeweils höchsten Wettbewerbspreis werden der Wettbewerb und die Wertungsreihenfolge nicht beeinträchtigt (vgl. § 16a Abs. 2 VOB/A-2019). Nach dieser Neuregelung können jetzt also auch mehrere Preise fehlen. Der Auftraggeber ist in einem solchen Fall verpflichtet, den Bieter unter Beachtung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung aufzufordern, die fehlenden Preispositionen zu ergänzen. Eine solche Pflicht besteht nur dann nicht, wenn der Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen festgelegt hat, dass er keine Preisangaben nachfordern wird (vgl. § 16a Abs. 3 VOB/A-2019).

9. Wertung der Angebote, Zuschlagserteilung

Neuerungen gibt es auch bei der Wertung der Angebote gemäß § 16d VOB/A-2019. Der Zuschlag wird zwar wie bisher auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Grundlage dafür ist eine Bewertung des Auftraggebers, ob und inwieweit das Angebot die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllt. Neu ist die Formulierung, dass sich das wirtschaftlichste Angebot nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis bestimmt. Zu dessen Ermittlung können neben dem Preis oder den Kosten qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden. Dabei dürfen nur Zuschlagskriterien und gegebenenfalls deren Gewichtung berücksichtigt werden, die in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen genannt sind.
Auch in Abschnitt 1 VOB/A-2019 wird jetzt vom Grundsatz „kein Mehr an Eignung“ eine ausdrückliche Ausnahme gemacht. Danach darf nunmehr auf die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung betrauten Personals abgestellt werden (d. h. auf Kriterien der beruflichen Eignung des Bieters), wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann.

Die Zuschlagskriterien müssen so festgelegt und bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet wird, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden kann und eine wirksame Überprüfung möglich ist, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen. Es können auch Festpreise oder Festkosten vorgegeben werden, sodass der Wettbewerb nur über die Qualität stattfindet. Bei der Zuschlagsentscheidung muss in einem solchen Fall der Preis nicht mehr berücksichtigt werden, auch nicht mit einem bestimmten Mindestgewicht.

Bewertung der Neuregelungen

Grundsätzlich stellen die Neuregelungen im 1. Abschnitt der VOB/A einen Schritt in die richtige Richtung dar. Insbesondere ist zu begrüßen, dass es in Bezug auf die Nachforderung von Unterlagen endlich zu einer Klarstellung gekommen ist. In Anbetracht der Tatsache, dass eine ähnliche Regelung für die Beschaffung von Lieferungen und Leistungen bereits seit 2016 in der VgV verankert ist, stellt sich allerdings die Frage, warum der DVA hierfür so lange gebraucht hat. Die Antwort liegt in der schwerfälligen und aus hiesiger Sicht überkommenen Arbeitsweise des DVA, der aufgrund seiner paritätischen Besetzung (50 % Vertreter der öffentlichen Auftraggeber, 50 % Vertreter der Bauwirtschaft) bei der Fortentwicklung der Vergaberegeln auf Konsens angewiesen ist. Insofern ist nach wie vor zu bedauern, dass es bei der Vergaberechtsreform 2016 nicht gelungen ist, auch die Regelungen zur Vergabe von Bauleistungen in die Vergabeverordnung (VgV) zu integrieren.
Zu der seit langem angestrebten Vereinfachung des Vergaberechts trägt die Reform 2019 jedenfalls nicht bei. Immer noch gibt es unerklärliche Unterschiede in den Vergaberegelungen, sobald die EU-Schwellenwerte überschritten werden. So ist bei Vergaben nach dem 1. Abschnitt der VOB/A die Abgabe von Nebenangeboten immer möglich, soweit Auftraggeber dies nicht in den Vergabeunterlagen ausdrücklich verneint (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 3 VOB/A). Bei Vergaben nach dem 2. Abschnitt der VOB/A ist die Abgabe von Nebenangeboten hingegen verboten, solange diese nicht ausdrücklich vom Auftraggeber zugelassen werden (vgl. § 8 EU Abs. 2 Nr. 3 VOB/A).

Aus hiesiger Sicht ist es an der Zeit, sich von der VOB/A zu verabschieden und deren Vergaberegeln in die VgV zu integrieren. In diesem Zusammenhang wäre dann auch eine Abschaffung der VOB/B zu erwägen, deren Bestimmungen in wesentlichen Bereichen (z. B. Nachtragsvorschriften) vom neuen gesetzlichen Bauvertragsrecht abweichen. Es ist jedenfalls nach den Ankündigungen des DVA nicht zu erwarten, dass mit der angekündigten Gesamtausgabe der VOB 2019 nennenswerte Anpassungen an die §§ 650a ff. BGB erfolgen.

Dr. Ulrich Dieckert,
Rechtsanwalt