Rechts-News

OLG Rostock zur Gesamtvergabe von Planung und Bau an Totalunternehmer

Download als pdf
10.01.2025

(OLG Rostock, Beschluss vom 10. Januar 2025, Az.: 17 Verg 4/24)

Leitsätze (nicht amtlich)
1. Die Gesamtvergabe von Planungs- und Bauleistungen an einen Totalunternehmer erfordert eine umfassende Abwägung. Technische und wirtschaftliche Gründe müssen überwiegen, um vom Grundsatz der Fachlosvergabe abzuweichen.
2. Bei der Integration von Planung und Bau geht es um das „Wie“ und nicht das von der Beschaffungshoheit gedeckte „Was“.

Sachverhalt

Im konkreten Fall schrieb das Land Mecklenburg-Vorpommern im wettbewerblichen Dialog einen Rahmenvertrag für Planung und Bau serieller Feuerwehrgebäude aus, nachdem zuvor eine Landesarbeitsgruppe einen Musterraumplan definiert hatte. Das Land begründete diese „Totalunternehmervergabe“ damit, dass eine systemoffene Ausschreibung angestrebt werde, bei der auch Fertighauslösungen möglich seien. Eine hiervon getrennte Ausschreibung von Planungsleistungen würde diesen Ansatz verengen, zumal Planer die Synergien von Fertigbauweisen i. d. R. nicht abschätzen könnten, da sie in die Prozesse von Systemanbietern nicht eingebunden wären.

Ein Architekturbüro rügte die Gesamtvergabe und beantragte ein Nachprüfungsverfahren. Die Vergabekammer gab dem Antrag statt, woraufhin der Auftraggeber beim OLG Rostock sofortige Beschwerde einlegte.

Gründe

Das OLG Rostock wies die Beschwerde des Auftraggebers zurück. Dabei stellte das Gericht zunächst klar, dass die Planung gegenüber der Bauleistung grundsätzlich fachlosgeeignet sei, weil dieser Teil der Leistung – und nur hierauf käme es an dieser Stelle an – von speziellen Fachkräften erbracht, hierfür gegenüber Bauleistungen ein eigener Markt bestünde und Planungsleistungen auch regelmäßig gesondert beauftragt werden. Ohne Belang sei in diesem Zusammenhang, ob sich für eine Gesamtleistung “Integrale Planung und Ba“” mittlerweile ein eigenständiger Markt gebildet habe.

Eine Gesamtvergabe von Planungs- und Bauleistungen sei deshalb nur dann gerechtfertigt, wenn im konkreten Einzelfall technische oder wirtschaftliche Gründe eindeutig überwiegen und auch nachvollziehbar dokumentiert wurden. Die Vergabestelle hatte argumentiert, dass eine integrale Gesamtvergabe erforderlich sei, um eine innovative und kostengünstige Umsetzung sicherzustellen. Das OLG hielt dem entgegen, dass die angeführten Vorteile wie Kostensenkungen durch serielle Fertigbauweise oder die Möglichkeit zur Systemoffenheit nicht ausreichend konkretisiert wurden. Insbesondere seien weder konkrete Einsparungen noch die behaupteten Vorteile hinsichtlich der Realisierbarkeit belastbar nachgewiesen worden. Zudem seien relevante Risiken, wie etwa eine marktverengende Wirkung durch die Gesamtvergabe und eine etwaige Vorfestlegung auf einen Anbieter, nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die pauschale Darstellung möglicher Synergien erfülle die Anforderungen an eine umfassende Abwägung nicht.

Anmerkungen/Hinweise

Diese Entscheidung verdeutlicht nachdrücklich, dass das Vergaberecht eine detaillierte und sorgfältige Dokumentation der Abwägung zwischen Gesamt- und Losvergabe verlangt. Öffentliche Auftraggeber sollten daher konkret darlegen, warum im Einzelfall nur eine Gesamtvergabe den Anforderungen gerecht wird, und diese Einschätzung auch nachvollziehbar und transparent dokumentieren. Dabei müssen insbesondere konkrete technische oder wirtschaftliche Vorteile benannt und belegt sowie etwaige Risiken klar bewertet werden.

Bietern wird empfohlen, auf eine klare und nachvollziehbare Dokumentation zu achten und kritisch zu prüfen, ob vorgebrachte Argumente für eine Gesamtvergabe tatsächlich stichhaltig sind. Bei Zweifeln an der sachlichen Begründung der Gesamtvergabe sollten Bieter das Instrument des Nachprüfungsverfahrens nutzen, um ihre Rechte zu wahren und den Wettbewerb sicherzustellen.

Ob allerdings der politisch gewollte („Mittelstandsförderung“) und vergaberechtlich zwingende (vgl. § 97 Ab. 4 S. 3 GWB) Vorrang der Fachlosvergabe immer noch zeitgemäß ist, steht auf einem anderen Blatt! Denn erfahrungsgemäß dauert die losweise Ausschreibung von aufeinander folgenden Planungs- und Bauleistungen nicht nur erheblich länger, sondern die anschließende Realisierung zwingt den öffentlichen Auftraggebern einen Koordinierungsaufwand auf, dem sie häufig mangels entsprechender personeller Ausstattung nicht mehr gewachsen sind. Das Ergebnis sind gestörte Bauabläufe und Nachträge in großer Zahl, was regelmäßig zu erheblichen Verzögerungen führt und die Kosten explodieren lässt. So wäre der Großflughafen Berlin/Brandenburg mit Sicherheit schneller und kostengünstiger realisiert worden, hätte man an der ursprünglichen GU-Vergabe festgehalten. Gerade in Zeiten großer Wohnungsnot ist es aus hiesiger Sicht angebracht, seriellen Fertigungsweisen den Vorzug zu geben, was die Vergabe der Leistungen „aus einer Hand“ nahelegt.

Dr. Ulrich Dieckert
Rechtsanwalt