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Sanierungsausgleichsabgabe erneut für rechtswidrig erachtet

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27.02.2019

OVG Berlin-Brandenburg hebt nach umfassender Beweisaufnahme Bescheide zur „Spandauer Vorstadt“ auf: Verwendung eines „maximal veränderbaren Lagewertanteils“ nicht begründet

Hintergrund

Das OVG Berlin-Brandenburg hat seine jüngste Rechtsprechung zur Rechtswidrigkeit der Bescheide zum Sanierungsgebiet „Spandauer Vorstadt“ bestätigt (OVG Berlin-Brandenburg Urteil vom 11.10.2018 – 2B 2.16).

Das Urteil wurde bereits am 11.10.2018 verkündet. Zu diesem Zeitpunkt lagen die schriftlichen vollständigen Entscheidungsgründe noch nicht vor. Lediglich einer Pressemitteilung ließ sich entnehmen, dass das Gericht nach wie vor davon ausgeht, dass die sogenannten „wendebedingten Effekte“ von dem betroffenen Bezirk Mitte im Rahmen der Ermittlung der sanierungsbedingten Bodenwerterhöhung nicht berücksichtigt worden sind. Damit war zu rechnen, zumal das Gericht bereits zuvor diesbezüglich eine eindeutige Entscheidung getroffen hatte (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.07.2017 – 2 B 1.16).

Unklar war auch nach der Pressemitteilung, wie das Gericht den Ansatz des sogenannten „maximal veränderbaren Lagewertanteils“ beurteilte – eine der zentralen Berechnungsgröße bei der Ermittlung der Ausgleichsabgabe. In der früheren Entscheidung hatte das Gericht diesen bereits nicht für ausreichend begründet angesehen, weiteren Vortrag hierzu dem Bezirk Mitte allerdings nicht mehr zugestanden. In dem aktuellen Verfahren hatte der Bezirk dies zum Anlass genommen, zu diesem Punkt noch weiter vorzutragen. Das Gericht hat daraufhin eine intensive Beweisaufnahme durchgeführt und in deren Rahmen, Protokolle des Sachverständigenausschusses, der diesen Wert im Jahr 2001 festlegte, geprüft und sogar ein Mitglied des damaligen Gremiums befragt.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme bestand bei Prozessbeobachtern unterschiedliche Auffassung. So wurde teilweise angenommen, das Gericht würde seine Rechtsprechung zu dem Lagewertanteil revidieren. Auf erstinstanzlicher Ebene wurde in einigen Gerichtsverfahren die Verwendung des maximal veränderbaren Lage Wertanteils daher zwischenzeitlich sogar für zulässig erachtet und nicht einmal die Berufung wegen Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsbrechung zugelassen.

Entscheidung des Gerichts

Nunmehr geht aus den veröffentlichten Entscheidungsgründen klar hervor, dass der Ansatz eines maximal veränderbaren Lagewertanteils von 25 % für ganz Berlin nach Auffassung des OVG unter einem Begründungsmangel leidet. Die Ausführungen des Sachverständigen in dessen Befragung haben das Gericht ebenso wenig vom Gegenteil überzeugt, wie die Auswertung der Sitzungsprotokolle des Sachverständigenausschusses.

Dadurch konnte der Bezirk dem Gericht gegenüber nicht nachvollziehbar darlegen, warum dieser Lagewertanteil als Berechnungsgröße der Sanierungausgleichsabgabe in dieser Höhe herangezogen worden ist.

Dies wiederum führte dazu, dass die ermittelte Höhe der Ausgleichsabgabe fehlerhaft berechnet worden ist und der Bescheid insgesamt vom Gericht für rechtswidrig erachtet wurde. Denn das OVG hat sich als Berufungsinstanz nicht berechtigt und verpflichtet dazu gesehen, die sanierungsbedingten Bodenwertsteigerung selbst zu berechnen auch Alternativberechnungen, die der Bezirk vorsorglich eingereicht hatte, hielt das Gericht im Hinblick auf die fehlende Plausibilität des angesetzten Wertes nicht für akzeptabel.

Was bedeutet dies für die Praxis?

Spannend ist nun die Frage, wie auf Bezirksebene im Rahmen der Bearbeitung von Widerspruchsverfahren, aber auch in verwaltungsgerichtlichen Prozessen mit dieser Rechtsprechung umgegangen wird. Die 13. Kammer des Verwaltungsgerichtes, die den Verlauf der mündlichen Verhandlung und auch der Anhörung des Sachverständigen offensichtlich verfolgt hatte, war danach der Auffassung dass die Verwendung des Wertes ausreichend begründet und dargelegt worden sei. Prozessual ist daher fraglich, ob es in den noch immer zahlreichen anhängigen Verfahren für zulässig erachtet wird eine weitere, vertiefende Beweisaufnahme durchzuführen? Kann dadurch doch noch die rechtssichere Begründung des Lagewertanteils erreicht werden? Dies mag prozessual sogar möglich sein, ist aber in der Praxis dennoch schwer vorstellbar, da das OVG die Beweisaufnahme bereits sehr intensiv durchgeführt hatte und auch das Bezirksamt in dem Prozess offensichtlich umfassend vorgetragen hatte. Es dürfte äußerst fraglich sein, ob überhaupt noch andere Beweismittel zur Verfügung stehen. Spätestens das OVG als Berufungsinstanz dürfte bei seiner bisherigen Rechtsprechung bleiben, zumal es gerade in der letzten Entscheidung die Thematik intensiv und hinsichtlich aller Argumente beleuchtet hat.

Oder wird die Rechtsprechung des OVG als endgültig ab akzeptiert? Auch dies ist in der Praxis schwer vorstellbar, da dies letztlich bedeuten dürfte, dass eine Vielzahl weiterer Bescheide auch anderer Bezirke schon aus diesem Grund rechtswidrig sein dürfte. Denn in nahezu allen bekannten Bescheiden wurde der fragliche Lagewertanteil angesetzt. Möglicherweise werden Eil-Anträge im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes erste Klarheit hierzu schaffen. Wir halten Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.

Thorsten Krull,
Rechtsanwalt