Das sah das OLG Köln jedoch anders. Der Anspruch nach § 650f BGB entstünde nicht schon mit Vertragsschluss, sondern erst mit der erstmaligen Geltendmachung des Auftragnehmers gegenüber dem Auftraggeber. Denn mit dem Vertragsschluss ist dem Auftragnehmer einstweilen nur die Möglichkeit eingeräumt, Sicherheit zu verlangen, ohne dass der Auftraggeber diesen Anspruch aber bereits zu diesem Zeitpunkt erfüllen dürfte. Erst nachdem der Unternehmer Sicherheit verlangt habe, dürfe der Anspruch durch den Auftraggeber erfüllt werden, weshalb es sich um einen sog. „verhaltenen“ Anspruch handele, der nur auf Verlangen des Berechtigten (also des Unternehmers) zu erfüllen sei.
Denn der der Auftragnehmer trägt grundsätzlich auch die üblichen Kosten der Sicherheit (siehe § 650f Abs. 3 BGB), die der Auftraggeber dem Auftragnehmer nicht ohne weiteres aufdrängen darf, sofern dieser noch gar keine Sicherheit verlangt hat. Dem stünde auch nicht entgegen, dass es dem Unternehmer zumutbar sei, sich innerhalb von drei Jahren nach Vertragsschluss darüber klar zu werden, ob er die Sicherheit fordern wolle, denn bei in der Praxis häufig anzutreffenden komplexen und langwierigen Bauvorhaben stelle sich ein Sicherheitsbedürfnis oft erst zu einem späteren Zeitpunkt überhaupt heraus. Eine frühzeitige, nur aus Verjährungsgründen geltend gemachte Sicherheitsforderung würde darüber hinaus auch unnötige Kosten verursachen (§ 650f Abs. 3 Satz 1 BGB).
In gleicher Weise hatte bereits zuvor das OLG Hamm mit Urteil vom 08.10.2015 (21 U 71/15) entschieden, wobei das Urteil des OLG Köln nunmehr dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorliegt (Az. VII ZR 94/20), der sich bislang zu dieser in der rechtswissenschaftlichen Fachliteratur umstrittenen Rechtsfrage noch nicht geäußert hat.
Auch wenn noch nicht absehbar ist, wann der BGH entscheiden wird, ist gerade das Argument nicht von der Hand zu weisen, dass der Auftraggeber die Bauhandwerkersicherheit gerade wegen der damit verbundenen Kostenlast nicht „ungebeten“ von sich aus aufdrängen darf.
Hält das Urteil des OLG Köln vor dem BGH aber stand, können Sicherheitsverlangen – bis zur Grenze der Rechtsmissbräuchlichkeit – jedenfalls auch noch während einer ggf. Jahre andauernden Schlusszahlungsauseinandersetzung geltend gemacht werden, wenigstens solange der zu besichernde Anspruch selbst noch durchsetzbar ist. Denn auch die Abnahme steht dem Anspruch auf Bauhandwerkersicherheit nicht entgegen.
Gerade jenen Auftragnehmern, die nur zurückhaltend von dem Verlangen nach Bauhandwerkersicherheiten Gebrauch machen, etwa um vermeintliche „atmosphärischen Belastungen“ zum Auftraggeber zu vermeiden, kommt die Entscheidung des OLG Köln entgegen, denn insbesondere in festgefahrenen Vergütungsstreitigkeiten mit u.U. über Jahre dauernden Beweisaufnahmen, kann für den Auftragnehmer ein Sicherungsbedürfnis bestehen, das übrigens in aller Regel auch im überschaubaren zeitlichen Rahmen isoliert gerichtlich durchsetzbar ist und dem Auftragnehmer daher schon vor Abschluss eines komplexen Vergütungsprozesses zur Verfügung steht.
Christian Zeiske
Rechtsanwalt