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16.03.2021

Nach § 650f BGB (bis zum 31.12.2017 § 648a BGB) kann der Auftragnehmer eines Bauvertrages vom Auftraggeber grundsätzlich Sicherheit für die vereinbarte (und noch nicht gezahlte) Vergütung verlangen. Wie jeder vertragliche Anspruch unterliegt aber auch der Anspruch auf Stellung der Sicherheit der Verjährung, die gem. § 195 BGB („Regelverjährung“) drei Jahre beträgt. Nach § 199 Abs. 1 beginnt die Verjährung mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste.

Der Möglichkeit des Auftragnehmers, die Bauhandwerkersicherheit vom Auftraggeber zu verlangen, besteht bereits ab dem Vertragsschluss. Er hängt also im Unterschied etwa zum Anspruch auf Abschlagszahlungen gerade nicht davon ab, dass der Bauunternehmer überhaupt tätig geworden ist und bereits anteilige Vergütung verdient hat, denn § 650f BGB sichert gerade die noch nicht verdiente, aber schon vereinbarte Vergütung ab, also das Risiko, dass der Auftraggeber seiner durch den Vertragsschluss begründeten Vergütungspflicht bei Fälligkeit eventuell nicht nachkommen kann („Vorleistungsrisiko“).

Urteil des OLG Köln vom 17.06.2020 – I-11 U 186/19

Die Entscheidung des Gerichts

Zur Entstehung des Anspruchs nach § 650f BGB als Grundvoraussetzung für den Verjährungsbeginn liegt die Annahme nahe, dass diese mit dem Vertragsschluss zusammenfällt, ab dem der Anspruch schließlich vom Unternehmer / Gläubiger geltend gemacht werden darf. Zugleich wird regelmäßig auch entsprechende Kenntnis angenommen werden können, so dass in dieser Konsequenz die Verjährung drei Jahre nach Ende des Jahres eintreten würde, in dem der Vertrag geschlossen wurde, also beispielsweise bei einem Vertragsschluss im Laufe des Jahres 2017 zum 31.12.2020.
Das sah das OLG Köln jedoch anders. Der Anspruch nach § 650f BGB entstünde nicht schon mit Vertragsschluss, sondern erst mit der erstmaligen Geltendmachung des Auftragnehmers gegenüber dem Auftraggeber. Denn mit dem Vertragsschluss ist dem Auftragnehmer einstweilen nur die Möglichkeit eingeräumt, Sicherheit zu verlangen, ohne dass der Auftraggeber diesen Anspruch aber bereits zu diesem Zeitpunkt erfüllen dürfte. Erst nachdem der Unternehmer Sicherheit verlangt habe, dürfe der Anspruch durch den Auftraggeber erfüllt werden, weshalb es sich um einen sog. „verhaltenen“ Anspruch handele, der nur auf Verlangen des Berechtigten (also des Unternehmers) zu erfüllen sei.
Denn der der Auftragnehmer trägt grundsätzlich auch die üblichen Kosten der Sicherheit (siehe § 650f Abs. 3 BGB), die der Auftraggeber dem Auftragnehmer nicht ohne weiteres aufdrängen darf, sofern dieser noch gar keine Sicherheit verlangt hat. Dem stünde auch nicht entgegen, dass es dem Unternehmer zumutbar sei, sich innerhalb von drei Jahren nach Vertragsschluss darüber klar zu werden, ob er die Sicherheit fordern wolle, denn bei in der Praxis häufig anzutreffenden komplexen und langwierigen Bauvorhaben stelle sich ein Sicherheitsbedürfnis oft erst zu einem späteren Zeitpunkt überhaupt heraus. Eine frühzeitige, nur aus Verjährungsgründen geltend gemachte Sicherheitsforderung würde darüber hinaus auch unnötige Kosten verursachen (§ 650f Abs. 3 Satz 1 BGB).

Hinweis für die Praxis

In gleicher Weise hatte bereits zuvor das OLG Hamm mit Urteil vom 08.10.2015 (21 U 71/15) entschieden, wobei das Urteil des OLG Köln nunmehr dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorliegt (Az. VII ZR 94/20), der sich bislang zu dieser in der rechtswissenschaftlichen Fachliteratur umstrittenen Rechtsfrage noch nicht geäußert hat.
Auch wenn noch nicht absehbar ist, wann der BGH entscheiden wird, ist gerade das Argument nicht von der Hand zu weisen, dass der Auftraggeber die Bauhandwerkersicherheit gerade wegen der damit verbundenen Kostenlast nicht „ungebeten“ von sich aus aufdrängen darf.
Hält das Urteil des OLG Köln vor dem BGH aber stand, können Sicherheitsverlangen – bis zur Grenze der Rechtsmissbräuchlichkeit – jedenfalls auch noch während einer ggf. Jahre andauernden Schlusszahlungsauseinandersetzung geltend gemacht werden, wenigstens solange der zu besichernde Anspruch selbst noch durchsetzbar ist. Denn auch die Abnahme steht dem Anspruch auf Bauhandwerkersicherheit nicht entgegen.
Gerade jenen Auftragnehmern, die nur zurückhaltend von dem Verlangen nach Bauhandwerkersicherheiten Gebrauch machen, etwa um vermeintliche „atmosphärischen Belastungen“ zum Auftraggeber zu vermeiden, kommt die Entscheidung des OLG Köln entgegen, denn insbesondere in festgefahrenen Vergütungsstreitigkeiten mit u.U. über Jahre dauernden Beweisaufnahmen, kann für den Auftragnehmer ein Sicherungsbedürfnis bestehen, das übrigens in aller Regel auch im überschaubaren zeitlichen Rahmen isoliert gerichtlich durchsetzbar ist und dem Auftragnehmer daher schon vor Abschluss eines komplexen Vergütungsprozesses zur Verfügung steht.

Christian Zeiske
Rechtsanwalt