Rechts-News

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25.09.2020

Mehrere ausgewählte laufende und abgeschlossene Verfahren geben Hinweise darauf, wie sich die rechtliche Debatte um den Mietendeckel entwickelt und wie die Aspekte Verfassungsmäßigkeit, Gesetzgebungskompetenz, Schattenmieten und Stichtagsregelung behandelt werden.

A. ABGESCHLOSSENE VERFAHREN

1. Landgericht Berlin, (66. Zivilkammer) – Urteil vom 31.07.2020 – 66 S 95/20

Die 66. Zivilkammer hält das MietenWoG Bln für verfassungsgemäß. Jedoch könne es Mieterhöhungen erst ab dem Inkrafttreten am 23.02.2020 verhindern. Die unechte Rückwirkung zum Stichtag des 18.06.2019 sei unwirksam. Somit sind alle Mieterhöhungen bis zum 23.02.2020 als wirksam zu erachten.

2. Landgericht Berlin, (65. Zivilkammer) – Urteil vom 15.07.2020 – 65 S 76/20

Die 65. Zivilkammer hält das MietenWoG Bln ebenfalls für verfassungsgemäß und hält zudem die Vereinbarung sog. „Schattenmieten“ – also der Möglichkeit, Mieten aus zivilrechtlichem Weg zu erhöhen, diese Erhöhung jedoch aufgrund des Verbotes des MietenWoG Bln lediglich nicht zu fordern, solange dieses gültig ist – für wirksam. Die Wirksamkeit der Schattenmieten ist heiß diskutiert.

3. Bayerische Verfassungsgerichtshof

Ausgerechnet der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat ein erstes Signal gesetzt und die Zulässigkeit des Volksbegehrens „Sechs Jahre Mietenstopp“ für 162 bayerische Gemeinden abgelehnt. Die beabsichtigten Regelungen waren an den Berliner Mietendeckel angelehnt. Das Gericht entschied – ungeachtet der vielen divergierenden Rechtsgutachten und Urteile – dass die Gesetzgebungskompetenz „offensichtlich“ nicht beim Land liege. Das Urteil ist deshalb in Fachkreisen umstritten.

B. LAUFENDE VERFAHREN

1. Normenkontrollverfahren: Bundesverfassungsgericht – 2 BvF 1/20

Vor dem Bundesverfassungsgericht haben die Mitglieder der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP am 06. Mai 2020 einen Antrag auf Normenkontrolle eingereicht. Eine Entscheidung ist frühestens 2021 zu erwarten.

2. Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin

Auch vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin haben die Fraktionen FDP/CDU Klage gegen den Mietendeckel eingereicht.

3. Landgericht Berlin (67. Zivilkammer) – 67 S 274/19

Die 67. Zivilkammer des Landgerichts Berlin zweifelt an Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin und damit der Verfassungsmäßigkeit und hat deshalb am 12.03.2020 beschlossen, dem Bundesverfassungsgericht diese Frage zur Entscheidung vorzulegen. Diese wird nicht vor 2021 ergehen.

4. Landgericht Berlin (67. Zivilkammer) – 67 S 109/20

Auch in diesem Verfahren setzt die 67. Zivilkammer das Verfahren aus und legt es dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor.

5. Amtsgericht Berlin-Tempelhof-Kreuzberg – 4 C 113/19

Das Amtsgericht setzt sich ausführlich mit der Verfassungsmäßigkeit des MietenWoG Bln auseinander und beleuchtet insbesondere die Frage der sog. „Schattenmieten“.
Diese Fragen legt das Amtsgericht dem BVerfG per Beschluss vom 18.08.2020 mit beeindruckendem Umfang von 136 Fußnoten zur Entscheidung vor.

C. FAZIT UND AUSBLICK

Die sich widersprechenden Kammern und Gerichte lassen derzeit nur einen Schluss zu – ein absolut risikoloses Vorgehen gibt es für Vermieter und Mieter gerade nicht.
Selbst wenn die Verfassungsgerichte urteilen, bleiben neben der Verfassungsmäßigkeit im weiteren Sinne zahlreiche offene Detailfragen wie Schattenmieten, Vertragsabwicklung im Fall einer Verfassungswidrigkeit etc. zu klären, die die Berliner noch lange beschäftigen werden.

Auch zukünftige Pläne des Senats verheißen Konfliktpotenzial:

Nachdem die Schirmherrin des Mietendeckels, Frau Katrin Lompscher (Linke) im August 2020 als Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen zurückgetreten ist, hat Herr Sebastian Scheel (Linke) diese Position nunmehr inne. Sein Projekt ist die Schaffung eines Wohnungs- und Mietenkatasters für Berlin. Von dieser Gesamterhebung erhofft man sich einen repräsentativeren Überblick, als dies mit dem Mietspiegel möglich ist, und genauere Angaben zur sozialen Zusammensetzung der Wohnbevölkerung oder zur Frage, ob Wohnungen überbelegt seien. Zudem wolle man so den „wirtschaftlichen Berechtigten“ besser ermitteln können, was Mietern, Gerichten, Ämtern und Strafverfolgern gerade im Fall von verzweigten Firmen-Netzwerken oder sogar Strohmännern teils mit Sitz in fernen Steueroasen schwer fällt.

Martin Krah
Rechtsanwalt