(§ 307 Abs. 2 BGB). Eine unangemessene Benachteiligung kann darin liegen, dass die Klausel nicht klar und verständlich ist (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der Verkäufer sich nur allgemein eine Preisanpassung vorbehält, ohne aber nachvollziehbar zu regeln, unter welchen Voraussetzungen, auf welcher Basis und in welchem konkreten Umfang die Preisanpassung erfolgt. Diesen Anforderungen werden viele Preisanpassungsklauseln nicht gerecht. Fachleute schätzen, dass die Hälfte aller Preisanpassungsklauseln unwirksam sein könnte. Ist die Preiserhöhung von wirtschaftlicher Bedeutung, dann sollte eine juristische Prüfung der Preisanpassungsklausel auf ihre AGB-rechtliche Wirksamkeit erfolgen.
Der Käufer befindet sich im Annahmeverzug
Haben sich die Material- oder sonstigen Herstellungskosten beim Verkäufer erhöht, dann kommt eine Preisanpassung auch ohne entsprechende Vereinbarung (Preisanpassungsklausel) in Betracht, wenn der Käufer für die Entstehung der Mehrkosten mitverantwortlich ist. Das kommt zum Beispiel in Betracht, wenn der Käufer die Ware nicht zum vereinbarten Zeitpunkt abnimmt und diese deshalb später (mit höheren Materialkosten) neu produziert werden muss. Hier kann dem Verkäufer zwar im Prinzip ein Anspruch auf Ersatz der Mehrkosten (also Schadensersatz) zustehen, der in der Praxis aber nur schwer durchsetzbar ist. So setzt der Anspruch etwa voraus, dass der Käufer die Nichtabnahme zu vertreten, also verschuldet hat. Zudem müsste der Verkäufer seinen konkreten Schaden nachweisen, was die Offenlegung seiner Produktionskosten voraussetzt. Eine rein pauschale, etwa prozentuale Preiserhöhung wäre nicht möglich.
Wegfall der Geschäftsgrundlage
Für ein Preiserhöhungsverlangen des Verkäufers kommt schließlich noch der sogenannte Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann eine Vertragspartei, die Anpassung des Vertrages verlangen, wenn
Nur wenn alle vier Voraussetzung vorliegen, hat der Verkäufer ein Recht auf Preisanpassung.
Beruft sich der Verkäufer auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage, so müsste er zunächst einmal nachweisen, dass sich nach Vertragsabschluss die Umstände massiv verändert haben. Dabei genügt es nicht, sich pauschal auf die Corona-Pandemie, oder auf die zeitweilige Sperrung des Suez-Kanals zu berufen. Der Verkäufer muss vielmehr nachweisen, dass gerade diese Umstände die Erhöhung seiner Einkaufspreise herbeigeführt haben. Dieser Nachweis wird dem Verkäufer häufig schwerfallen.
Zweite Voraussetzung der Preisanpassung wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage wäre, dass die interne Preiskalkulation des Lieferanten Grundlage des Vertrages geworden ist. Das ist aber regelmäßig gar nicht der Fall, denn der Verkäufer legt die Grundlage seiner Verkaufspreise in der Regel gar nicht offen. Zudem liegen Preiserhöhungen, wie bereits oben dargelegt, grundsätzlich im Risikobereich des Verkäufers, sodass auch die dritte der oben genannten Voraussetzungen regelmäßig nicht vorliegt.
Schließlich ist es dem Verkäufer nachmäßig auch zumutbar, sich am Vertrag festhalten zu lassen, gerade weil es immer wieder zu Schwankungen der Einkaufspreise kommt und sich der Verkäufer hierauf grundsätzlich einstellen kann.
Rechtslage bei noch nicht wirksam zustande gekommenen Kaufverträgen
Ist noch kein wirksamer Kaufvertrag abgeschlossen worden, so steht es dem Materiallieferanten frei, seine Preise für die Zukunft zu erhöhen. Es gibt insbesondere kein schützenswertes Vertrauen des Käufers darauf, dass sich die Preise des Verkäufers in Zukunft nicht ändern würden.
Beachte aber: Hat der Verkäufer ein rechtsverbindliches Angebot abgegeben und ist die Angebotsbindefrist noch nicht abgelaufen, so kann der Käufer das Angebot jederzeit annehmen. Der Verkäufer kann seine verbindlichen Angebote innerhalb der Bindefrist nicht wegen Preissteigerungen zurücknehmen oder sich sonst davon trennen. Vielmehr steht es dem Käufer innerhalb der Bindefrist frei, das Angebot anzunehmen. Durch die Annahmeerklärung kommt der rechtsverbindliche Kaufvertrag zu den angebotenen Konditionen zustande. Etwas anderes gilt nur für sogenannte freibleibende Angebote, dazu noch später.
Kann der Verkäufer von Baustoffen seine Preise erhöhen, so stellt sich die Frage, ob der Käufer diese Preiserhöhung weitergeben kann. Diese Frage stellt sich immer dann, wenn der Käufer an einen Dritten, also etwa an einen Bauherrn oder einen Generalunternehmer leistet. Fraglich ist also ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Auftragnehmer Preissteigerun¬gen an seinen Auftraggeber durchreichen kann.
Werk- bzw. Bauvertrag bereits abgeschlossen
Soweit zwischen dem Auftragnehmer und dem Auftraggeber ein rechtsverbindlicher Vertrag bereits zustande gekommen ist, gilt das zum Kaufvertrag Gesagte entsprechend: Im Grundsatz sind die zwischen den Parteien vereinbarten Preise verbindlich. Ausnahmen sind auch hier im Falle der Vereinbarung von Preisanpassungsklau¬seln, dem Annahmeverzug oder bei Wegfall der Geschäftsgrundlage denkbar.
Bei Werkverträgen stellt sich zusätzlich die Frage, inwieweit der Auftragnehmer bei Mehrmengen oder Zusatz- und Änderungswünschen des Auftraggebers an seine bisherigen Preise gebunden ist. Dazu im Einzelnen:
Preisanpassungsklauseln beim Werk- bzw. Bauvertrag
Im Werkvertragsrecht sind Preisanpassungsklauseln eher die Ausnahme. Sind diese allerdings tatsächlich vereinbart, so kann auf das oben Gesagte verwiesen werden. Es handelt sich um eine Frage des Einzelfalls, ob diese Klauseln wirksam sind.
Annahmeverzug des Auftraggebers
Ein Anspruch auf Preisanpassung besteht – wie beim Kaufvertrag – wenn die Leistung auf Veranlassung des Auftraggebers später ausgeführt wurde, als ursprünglich vereinbart. Hat der Auftraggeber die Verspätung der Auftragsdurchführung zu vertreten (verschuldet), so kommt ein Schadensersatzanspruch in Betracht (siehe oben).
Hat der Auftraggeber die „verspätete“ Leistungsausführung weder angeordnet, noch verschuldet, so kommen Ansprüche regelmäßig nicht in Betracht. Zwar sieht § 642 BGB vor, dass dem Auftragnehmer bei unterlassener Mitwirkung einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Entschädigung zustehen kann. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes umfasst dieser Anspruch allerdings keine Entschädigung für Preiserhöhungen (BGH, Urteil vom 26.10.2017 – VII ZR 16/17).
Wegfall der Geschäftsgrundlage
Auch im Hinblick auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage ist die Rechtslage mit der beim Kaufvertrag grundsätzlich identisch. Zu dieser Frage liegen bereits einige Urteile vor. So hat etwa das OLG Hamburg in seinem Urteil vom 28.12.2005 – 14 U 124/05 entschieden, dass sich der Werkunternehmer regelmäßig sich nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen könne, weil seine einseitigen Preisvorstellungen nicht Vertragsgrundlage seien. Das Urteil ist zuzeiten ergangen, als sich der Stahlpreis verdoppelt hatte. Ebenso hat das OLG Düsseldorf in seinem Urteil vom 19.12.2008 – 23 U 48/08 entschieden.
Mehrmengen und Nachträge
Bei Bauverträgen (zum Begriff siehe § 650a Abs. 1 und Abs. 2 BGB) stellt sich zudem folgendes Sonderproblem: Ist der Auftragnehmer auch im Falle von Mehrmengen oder Nachträgen (Zusatz- bzw. von Änderungswünschen des Auftraggebers) an seine (Material-) Preise gebunden?
Die Vergütung für Mehrmengen und Nachträge ist auf Basis der tatsächlichen Kosten zu ermitteln. Das gilt beim BGB-Vertrag seit Inkrafttreten der Bauvertragsreform 2018 (§ 650c Abs. 1 BGB). Für den VOB/B-Vertrag ergibt sich das nach herrschendem Verständnis aus der Grundsatzentscheidung vom 08.08.2019 (VII ZR 34/18). Mehrkosten werden – entgegen jahrelanger Praxis beim VOB/B-Vertrag – regelmäßig nicht mehr unter Fortschreibung der Urkalkulation vergütet.
Beachte: Das Vorgesagte gilt beim VOB/B Vertrag gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B für Mehrmengen ab 10 %. Beim BGB-Vertrag besteht eine solche klare prozentuale Grenze nicht. Hier sollten die Parteien möglichst vertraglich regeln, ab welcher Mehrmenge die Preisanpassung in Betracht kommt.
*Rechtslage bei noch nicht wirksam zustande gekommenen Werk- bzw. Bauverträgen
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Ist der Werk- bzw. Bauvertrag noch nicht rechtsverbindlich zustande gekommen, so gilt das zum noch nicht zustande gekommenen Kaufvertrag Gesagte entsprechend. Auch hier gilt: Liegt dem Auftraggeber ein noch in der Bindefrist befindliches Angebot vor, so kann dieses auch im Falle von Preissteigerungen auf Seiten des Auftragnehmers ohne weiteres annehmen.
In Zeiten steigender Materialpreise verbietet es sich für Auftragnehmer, auf Basis „üblicher“ Erfahrungswerte zu kalkulieren. Die Preisanfrage beim Lieferanten ist erste Bürgerpflicht. Soweit wie möglich sollte sich der Auftragnehmer verbindliche Preiszusagen seiner Lieferanten geben lassen. Auftragnehmer können sich bis zu einem bestimmten Grad dadurch behelfen, dass sie nur „freibleibende“ Angebot unterbreiten. Das sind (vereinfacht ausgedrückt) unverbindliche Angebote, die es dem Auftragnehmer bis zum Vertragsabschluss erlauben, die Konditionen zu ändern oder gar vollständig vom Vertragsabschluss Abstand zu nehmen. Allerdings besteht diese Möglichkeit nur bis zum Vertragsabschluss.
Möchte sich der Auftragnehmer die Möglichkeit vorbehalten, auch nach Vertragsabschluss die Preise anzupassen, so führt an der Vereinbarung von Preisanpassungsklauseln kein Weg vorbei. Auftraggeber sollten sich dem nicht verschließen, denn auf der Ausführung von Bauleistungen auf Basis nicht auskömmlicher Preise liegt letztlich kein Segen. Auch wenn keine Preisanpassungsklausel vereinbart wurde, ist es keineswegs verwerflich, im Falle von Materialpreissteigerungen beim Auftraggeber vorstellig zu werden. Dazu sollte der Auftragnehmer allerdings anhand konkreter Unterlagen nachweisen können, mit welchen Materialpreisen er bei Vertragsabschluss kalkuliert hat und worauf seine Kalkulation beruhte. Zudem sollte der Auftragnehmer die tatsächlichen Preise nachweisen können.
Markus Fiedler
Rechtsanwalt