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20.03.2020

Besondere Zeiten verlangen besondere Regelungen. Durch den Ausbruch des SARS-CoV-2 weltweit ist mit einer Reihe von Lieferengpässen durch Grenzschließungen und mit Ausfällen von Mitarbeitern oder ganzen Firmen auf Grund von Infizierungen mit dem SARS-CoV-2 zu rechen und das branchenunabhängig. Folglich kann es zu Verzögerungen von Materiallieferungen in der Baubranche, aber auch zur Verschiebung oder zum Ausfall von vertraglich vereinbarten Wartungsterminen in der Sicherheitstechnikbranche kommen.
Der folgende Beitrag befasst sich mit der Frage welche Auswirkungen die Leistungsverzögerung bzw. Leistungsstörung durch Verschiebung oder Nichteinhaltung der vertraglich vereinbarten Termine hat und inwieweit ein Fall von „höherer Gewalt“ vorliegt.
1.SARS-CoV-2 als „höhere Gewalt“
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der unkontrollierte Ausbruch von Epidemien bzw. Pandemien als „höhere Gewalt“ zu klassifizieren ist. Der SARS-CoV-2 wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Pandemiefall eingestuft, sodass auch dessen Ausbreitung als ein Fall „höherer Gewalt“ anzusehen ist.
In solch einem Fall von „höherer Gewalt“ gilt bei der Prüfung der zur Verfügung stehenden Ansprüche die generelle juristische Regelung „Vertrag – Vertrauen – Gesetz“. Soll heißen, dass vertragliche Regelungen, auch solche in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, den gesetzlichen Reglungen vorgehen, natürlich unter der Voraussetzung, dass diese wirksam sind.
Folglich zunächst einmal der Appell an diejenigen, die die Geltendmachung von Verzugsschäden oder die Kündigung durch den Vertragspartner wegen Nichteinhaltung oder Verzögerung von vereinbarten Leistungsterminen befürchten, schauen Sie in Ihre Verträge und Allgemeine Geschäftsbedingungen, ob sich dort Klauseln zum Fall der „höheren Gewalt“ finden.
2.Klauseln zu „höherer Gewalt“ in Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Das Positive vorweg: In den meisten von uns gesichteten Liefer- und Dienstleistungsverträgen und den dazugehörigen AGB sind Klauseln zu dem Umgang mit Leistungsverzögerung bzw. Leistungsausfall bei „höherer Gewalt“ geregelt. Nun ist des weiteren erforderlich, dass diese Klauseln wirksam sind. Hierbei ist noch einmal eine Unterscheidung zwischen B2B und B2C Geschäften vorzunehmen. Grundsätzlich gilt allerdings für beide Geschäftsbeziehungen gleichermaßen, dass das von den Gerichten so häufig herangezogene Transparenzgebot im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB eingehalten ist. Dies ist nicht der Fall, wenn eine Klausel unklar und missverständlich formuliert ist. Demnach reicht es für die Einhaltung des Transparenzgebotes im Falle der „höheren Gewalt“ nicht aus, wenn die Klausel lediglich regelt, dass die Leistungspflicht entfällt, wenn höhere Gewalt oder sonstige Umstände vorliegen, deren Beseitigung unmöglich ist. Aus solch einer Klausel geht nicht hervor welche Rechte der Vertragspartner ableiten kann, wenn der Verwender nicht zur Leistung verpflichtet ist. Vielmehr erweckt diese den Eindruck, der Vertragspartner bleibe zur Leistung verpflichtet und könne den Vertrag auch nicht kündigen, obwohl der Verwender seine Gegenleistung nicht erbringt.
Folglich empfiehlt es sich auf einen generellen Ausschluss der Leistungspflicht zu verzichten und lediglich die Verschiebung der vertraglich vereinbarten Leistungstermine zu regeln. Hierzu haben wir entsprechend der jeweiligen Vertragstypen Beispielklauseln zusammengestellt.
a)Liefer- bzw. Kaufverträge
Im Fall der Liefer- bzw. Kaufverträge kann es durch die auf Grund des SARS-CoV-2 vorgenommenen Grenzschließungen und Grenzkontrollen durch die Bundesregierung und die angrenzenden Länder zur Verzögerung bzw. zum Ausfall der Lieferung der vereinbarten Waren kommen. Zur Einschränkung von Ansprüche des Vertragspartner sollte daher nach folgenden beispielhaften Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen gesehen werden:
„Ist die Nichteinhaltung einer bestimmten Leistungszeit auf Ereignisse höherer Gewalt zurückzuführen, verschieben sich die Leistungstermine um die Dauer der Störung einschließlich einer angemessenen Anlaufphase. Als höhere Gewalt gelten auch behördliche Eingriffe, Streiks, Energie- oder Rohstoffschwierigkeiten, Aussperrung, Unfälle, Betriebsstörungen oder andere Vorkommnisse, die die Lieferung wesentlich erschweren oder unmöglich machen.“

oder

„(1) Bei Lieferverzögerungen durch höhere Gewalt sind Liefertermine ebenfalls neu zu vereinbaren.
(2) Durch höhere Gewalt oder beim Verwender eintretende Betriebsstörungen, die dieser ohne eigenes Verschulden vorübergehend daran hindern, den Kaufgegenstand zum vereinbarten Termin oder innerhalb der vereinbarten Frist zu liefern, verändern sich die vereinbarten Termine / Fristen um die Dauer der durch diese Umstände bedingten Leistungsstörungen.“

oder

„Ereignisse höherer Gewalt – auch solche bei unseren Zulieferern – verlängern die Lieferzeit um die Dauer ihres Vorliegens mit angemessener Wiederanlaufzeit. Dies gilt auch, wenn die genannten Ereignisse zu einem Zeitpunkt eintreten, in dem wir uns im Verzug befinden. Wird die Durchführung des Vertrages aufgrund der Dauer der Verzögerung für eine der Vertragsparteien unzumutbar, so kann sie vom Vertrag insoweit zurücktreten. Weitergehende Ansprüche des Vertragspartners sind ausgeschlossen. Als höhere Gewalt gelten auch behördliche Eingriffe, Streiks, Energie- oder Rohstoffschwierigkeiten, Aussperrung, Unfälle, Betriebsstörungen oder andere Vorkommnisse, die die Lieferung wesentlich erschweren oder unmöglich machen.“

b)Dienstleistungsverträge
Als Dienstleistungsverträge sind neben Wartungsverträgen bspw. von Soft- und Hardware im Rahmen von sicherheitstechnischen Anlagen auch ASP Verträge (Application Service Provider Verträge) zu klassifizieren. Im Rahmen der Durchführung solcher Verträge kann es durch den SARS-CoV-2 bspw. zur Nichteinhaltung von vertrglich vereinbarten Wartungsterminen kommen, weil die Mitarbeiter des Wartungsunternehmens entweder bereits erkrankt sind, das Unternehmen zum Schutz seiner Mitarbeiter das Aussetzen von Wartungsterminen angeordnet bzw. diese verschoben hat oder die Wartung auf Grund von staatlichen Anordnungen nicht mehr durchgeführt werden darf. Bei der Leistungserbringung bezogen auf ASP Verträge kann es bspw. durch die Überlastung des öffentlichen Datennetzes auf Grund einer extensiven Nutzung dazu kommen, dass die bereitgestellte Software nicht mehr oder zeitweise nicht mehr genutzt werden kann.

Zur Einschränkungen von Ansprüchen des Vertragspartners sollte folglich nach folgenden beispielhaften Klauseln in den Verträgen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen gesehen werden:

„Der Verwender gewährleistet eine Erreichbarkeit der Plattform von der Server-Infrastruktur des Rechenzentrums bis zum Übergabepunkt in das öffentliche bzw. das vereinbarte Datennetz von 95 % (= werktags) im Jahresmittel für jedes Kalenderjahr. Hiervon ausgenommen sind Zeiten, in denen der Server aufgrund technischer oder sonstiger Probleme, die nicht im Verantwortungs- und Einflussbereich von TAS liegen (z.B. höhere Gewalt, Naturkatastrophen, Streik, Arbeitskämpfe, Verschulden Dritter etc.), nicht zu erreichen ist.“ (ASP Vertrag)

„(1) Zusätzliche Leistungen

Eine Leistung ist jedenfalls dann zusätzlich, wenn sie durch äußere Einwirkungen wie Feuchtigkeit, Luftverunreinigungen, Erschütterungen, unsachgemäße Handhabung, höhere Gewalt oder Eingriffe Dritter bedingt ist.

(2) Gewährleistung

Die Mängelhaftung bezieht sich nicht auf natürliche Abnutzung, ferner nicht auf Schäden, die infolge fehlerhafter oder nachlässiger Behandlung, übermäßiger Beanspruchung, Witterungseinflüssen, höherer Gewalt, ungeeigneter Betriebsmittel, mangelhafter Bauarbeiten, ungeeigneten Baugrundes und solcher chemischen, physikalischen, elektromechanischen oder elektrischen Einflüssen entstehen, die nach dem Vertrag nicht vorausgesetzt sind.

(3) Störungen und Verzug

Ist die Nichteinhaltung vereinbarter Fristen auf höhere Gewalt (z.B. Naturkatastrophen, Gewalttaten, Anschläge, Streik, Aussperrung etc.) zurückzuführen oder vom Vertragspartner aufgrund von Umständen, die in seiner Sphäre liegen, zu vertreten, kann der Verwender seine Leistungserbringung für den Zeitraum der Störung unterbrechen bzw. aussetzen, ohne dadurch in Verzug zu geraten. In jedem Fall verlängern sich die Leistungspflichten um die störungs- bzw. unterbrechungsbedingte Zeit zuzüglich einer angemessenen Anlaufzeit für den AN. Als höhere Gewalt im o.a. Sinne gelten auch Computerviren, sonstige Schadprogramme oder vorsätzliche Angriffe auf EDV-Systeme durch Hacker, sofern jeweils angemessene Schutzvorkehrungen hiergegen getroffen wurden.“ (Wartungsverträge)

3.Fazit

Sollte sich in Ihren Verträgen bzw. in Ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer der vorgenannten beispielhaften Klauseln finden, können Sie mit einer hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass eine Verschiebung der Leistungstermine bzw. ein derzeitiger Leistungsausfall ohne relevante juristische Konsequenzen für Sie vereinbart ist. Sollten Sie Zweifel an der Wirksamkeit solcher Klauseln haben, kontaktieren Sie uns und wir übernehmen gerne kurzfristig eine Wirksamkeitsprüfung.

Chantal Hasselbach
Rechtsanwältin